Die Lieb′ ist billich ja in allem keusch zu schätzen /
sie ist das Guhte selbst; wer ihr sich gantz ergiebt /
der wird geliebt / und liebt / der liebt und wird geliebt /
er kan sich ewiglich mit süßer Lust ergetzen /
zu letzt entkompt er auch des Todes grimmen Netzen /
und lebt noch einst so lang / er wird gahr nicht betrübt /
weil er die Frewde hat; im fall er Lieben übt /
kan ihn das Unglück auch zu keiner Zeit verletzen /
er lebt in wahrer Ruh / in stehter Einigkeit /
darff nicht zu Felde ziehn / er führt den süßen Streit.
Wem wil dan nicht dis Tuhn / diß süße Tuhn gefallen /
das uns wie Brodt ernehrt? der muß ein Unmensch seyn /
der stirbet / weil er lebt / er ist ein Klotz und Stein /
er ist ein höltzern Bild / sein Hertz ist vohn Metallen.
Die Lieb ist billich ja in allem keusch zu schätzen…
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Lieb‘ ist billich ja in allem keusch zu schätzen…“ von Sibylla Schwarz ist eine Lobeshymne auf die Liebe, die in all ihren Formen als höchstes Gut und Quelle unendlichen Glücks gefeiert wird. Die Dichterin beschreibt die Liebe als „das Guhte selbst“, eine moralische Instanz, die den Liebenden ewige Freude und Unsterblichkeit verspricht. Durch die Hingabe an die Liebe entkommt der Mensch dem Tod und findet wahre Erfüllung.
In den ersten Versen wird ein Idealbild der Liebe entworfen. Wer sich der Liebe ganz hingibt, wird selbst geliebt und erfährt eine „süße Lust“. Diese Liebe wird als ein Zustand ständiger Freude und Glückseligkeit beschrieben, der den Liebenden vor Leid und Unglück schützt. Die Verwendung von Worten wie „ewiglich“ und „gahr nicht betrübt“ unterstreicht die Vorstellung von der Unvergänglichkeit und Allmacht der Liebe. Der Verliebte lebt in „wahrer Ruh“ und „stehter Einigkeit“, ein Bild von Frieden und Harmonie, das durch den „süßen Streit“ ergänzt wird.
Das Gedicht nimmt eine deutlich didaktische Haltung ein. Es richtet sich an den Leser und stellt eine rhetorische Frage: „Wem wil dan nicht dis Tuhn / diß süße Tuhn gefallen?“. Durch diese Frage werden die Leser aufgefordert, die Liebe zu akzeptieren und sich ihr hinzugeben. Wer dies ablehnt, wird als unmenschlich, als „Klotz und Stein“ bezeichnet. Diese harten Worte unterstreichen die Überzeugung der Dichterin, dass die Liebe das fundamentale Element des menschlichen Lebens ist, ohne das der Mensch zu einem leblosen Wesen verkommt.
Schwarz verwendet eine einfache, klare Sprache, die durch Wiederholungen und Reime verstärkt wird, um die Botschaft zu verdeutlichen. Der Aufbau des Gedichts, mit seinem Lob der Liebe und der anschließenden Warnung vor der Ablehnung der Liebe, folgt einer klaren Argumentationsstruktur. Die Verwendung von starken Kontrasten, wie „Frewde“ vs. „Unglück“ oder „leben“ vs. „sterben“, verstärkt die emotionale Wirkung des Gedichts und unterstreicht die zentrale Bedeutung der Liebe. Das Gedicht ist ein Zeugnis der Überzeugung, dass die Liebe nicht nur eine Quelle der Freude, sondern auch der Schlüssel zu einem erfüllten und unsterblichen Leben ist.
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