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Die junge Magd

Von

Oft am Brunnen, wenn es dämmert,
Sieht man sie verzaubert stehen
Wasser schöpfen, wenn es dämmert.
Eimer auf und nieder gehen.

In den Buchen Dohlen flattern
Und sie gleichet einem Schatten.
Ihre gelben Haare flattern
Und im Hofe schrein die Ratten.

Und umschmeichelt von Verfalle
Senkt sie die entzundenen Lider.
Dürres Gras neigt im Verfalle
Sich zu ihren Füßen nieder.

Stille schafft sie in der Kammer
Und der Hof liegt längst verödet.
Im Hollunder vor der Kammer
Kläglich eine Amsel flötet.

Silbern schaut ihr Bild im Spiegel
Fremd sie an im Zwielichtscheine
Und verdämmert fahl im Spiegel
Und ihr graut vor seiner Reine.

Traumhaft singt ein Knecht im Dunkel
Und sie starrt von Schmerz geschüttelt.
Röte träufelt durch das Dunkel
Jäh am Tor der Südwind rüttelt.

Nächtens übern kahlen Anger
Gaukelt sie in Fieberträumen.
Mürrisch greint der Wind im Anger
Und der Mond lauscht aus den Bäumen.

Balde rings die Sterne bleichen
Und ermattet von Beschwerde
Wächsern ihre Wangen bleichen.
Fäulnis wittert aus der Erde.

Traurig rauscht das Rohr im Tümpel
Und sie friert in sich gekauert.
Fern ein Hahn kräht. Übern Tümpel
Hart und grau der Morgen schauert.

In der Schmiede dröhnt der Hammer
Und sie huscht am Tor vorüber.
Glührot schwingt der Knecht den Hammer
Und sie schaut wie tot hinüber.

Wie im Traum trifft sie ein Lachen;
Und sie taumelt in die Schmiede,
Scheu geduckt vor seinem Lachen,
Wie der Hammer hart und rüde.

Hell versprühn im Raum die Funken
Und mit hilfloser Geberde
Hascht sie nach den wilden Funken
Und sie stürzt betäubt zur Erde.

Schmächtig hingestreckt im Bette
Wacht sie auf voll süßem Bangen
Und sie sieht ihr schmutzig Bette
Ganz von goldnem Licht verhangen,

Die Reseden dort am Fenster
Und den bläulich hellen Himmel.
Manchmal trägt der Wind ans Fenster
Einer Glocke zag Gebimmel.

Schatten gleiten übers Kissen,
Langsam schlägt die Mittagsstunde
Und sie atmet schwer im Kissen
Und ihr Mund gleicht einer Wunde.

Abends schweben blutige Linnen,
Wolken über stummen Wäldern,
Die gehüllt in schwarze Linnen.
Spatzen lärmen auf den Feldern.

Und sie liegt ganz weiß im Dunkel.
Unterm Dach verhaucht ein Girren.
Wie ein Aas in Busch und Dunkel
Fliegen ihren Mund umschwirren.

Traumhaft klingt im braunen Weiler
Nach ein Klang von Tanz und Geigen,
Schwebt ihr Antlitz durch den Weiler,
Weht ihr Haar in kahlen Zweigen.

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Gedicht: Die junge Magd von Georg Trakl

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die junge Magd“ von Georg Trakl ist ein düsteres und beklemmendes Werk, das die Geschichte eines jungen Mädchens erzählt, das in eine Spirale des Leidens und der Verzweiflung gerät. Die Interpretation des Gedichts erfordert die Betrachtung der symbolischen Sprache, der wiederkehrenden Motive und der Atmosphäre der Verlassenheit und des Verfalls, die das Gedicht durchzieht.

Die junge Magd wird von Anfang an als eine Figur dargestellt, die von einer unbestimmten Traurigkeit und Verzauberung gezeichnet ist. Ihre Handlungen, wie das Stehen am Brunnen im Dämmerlicht und das Wasserschöpfen, sind von einer entrückten Qualität geprägt. Die Naturbilder – die Dohlen in den Buchen, die im Hof schreienden Ratten, das dürre Gras – spiegeln ihre innere Zerrissenheit wider und verstärken den Eindruck von Verfall und Hoffnungslosigkeit. Die Umgebung ist geprägt von Verlassenheit und dem Gefühl des drohenden Unheils.

Die wiederkehrenden Motive wie das Dämmerlicht, das Spiegelbild, die Funken und der Schlaf sind zentrale Elemente der Interpretation. Das Dämmerlicht symbolisiert den Übergang zwischen Tag und Nacht, zwischen Leben und Tod, zwischen Realität und Traum. Das Spiegelbild, das die junge Magd sieht, zeigt ihr ein fremdes und verändertes Selbst, ein Zeichen für ihren inneren Wandel. Die Funken, die in der Schmiede versprühen, scheinen eine zerstörerische Anziehungskraft auszuüben, und der Schlaf, in dem sie sich wiederfindet, ist von süßem Bangen und einer beunruhigenden Vision geprägt. Diese Elemente verstärken die Vorstellung von einer Welt, in der die Grenzen zwischen Realität und Traum verschwimmen.

Der Wendepunkt des Gedichts ist der Besuch in der Schmiede, wo das Mädchen von dem Lachen des Schmiedes angezogen und letztendlich zu Boden geworfen wird. Die anschließenden Bilder sind von einem Gefühl der Verlorenheit und des Todes geprägt. Das schmutzige Bett, das von goldenem Licht verhangen ist, die blutigen Linnen, die über den Wäldern schweben, und das Girren im Dunkel sind eindrucksvolle Bilder des Verfalls und des nahenden Todes. Die letzte Strophe mit dem Tanz und den Geigen im Dorf und der Erscheinung ihres Gesichts in den kahlen Zweigen ist ein trauriges Echo des Lebens, das sie nicht mehr erreichen kann. Das Gedicht endet mit einer tiefen Melancholie und dem Gefühl des endgültigen Verlustes.

Insgesamt ist „Die junge Magd“ ein Gedicht, das die Themen Einsamkeit, Verzweiflung, Verfall und Tod in einer expressiven und beunruhigenden Weise behandelt. Trakl verwendet eine eindringliche Bildsprache, um die innere Zerrissenheit und das Leiden der jungen Magd darzustellen. Das Gedicht ist eine düstere Reflexion über die Fragilität des menschlichen Lebens und die zerstörerische Kraft der inneren Dämonen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.