Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , ,

Die Insel auf dem Bielersee

Von

An Rousseau′s Schatten

Wo Wogen das liebliche Eiland umzieh′n,
Da sitz ich hoch über dem Felsen im Grün,
Und höre, mit schmachtendem Sehnen,
Die Fluthen vertönen.

Von ferneher rauschen, mir tief aus dem See
Erschallend, empor in die luftige Höh′,
Verdoppelte dumpfige Schläge
Ans Ufergehege!

Umschwebt nicht im West, der das Eichenblatt beugt,
Dein klagender Schatten, ätherisch und leicht,
Die vormals geliebten Gefilde
Mit himmlischer Milde?

Dort, hoch aus dem silberumflossenen Blau,
O senke dich nieder, wie kühlender Thau;
Verkünde der traurigen Müden
Elysischen Frieden!

Du kanntest dies Sehnen, du kanntest den Schmerz,
Der schwer mir belastet das einsame Herz!
Nun schöpfst du am Strome der Klarheit
Unsterbliche Wahrheit!

Stets glaubend, stillhoffend und liebend wie du,
Ach; find′ ich im Schooße der Nacht erst die Ruh′,
Entschwebend dem moosigen Hügel
Mit strahlendem Flügel?

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Insel auf dem Bielersee von Friederike Sophie Christiane Brun

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Insel auf dem Bielersee“ von Friederike Sophie Christiane Brun ist eine elegische Hommage an Jean-Jacques Rousseau und eine Reflexion über Sehnsucht, Schmerz und die Suche nach innerem Frieden. Es ist geprägt von romantischer Naturverbundenheit und der Hoffnung auf Erlösung durch die Nähe zu einer verehrten Persönlichkeit.

Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung der idyllischen Landschaft am Bielersee, in der die lyrische Ich-Erzählerin, von Sehnsucht erfüllt, über dem Felsen sitzt und den Wellen lauscht. Die Beschreibung der Natur dient nicht nur als Kulisse, sondern spiegelt auch die innere Gefühlslage der Erzählerin wider. Der „schmachtende Sehnen“ und die „dumpfigen Schläge“ der Fluten deuten auf eine tiefe Unruhe und eine unerfüllte Sehnsucht hin, die durch die Schönheit der Umgebung noch verstärkt wird.

Im weiteren Verlauf richtet sich die Erzählerin an den „Schatten“ Rousseaus, wobei die Natur als Vermittlerin zwischen der lebenden Dichterin und dem verstorbenen Philosophen dient. Die Erwartung einer himmlischen Milde und die Bitte, sich wie „kühlender Thau“ zu senken, zeigen die Verehrung der Erzählerin für Rousseau und ihren Wunsch nach Trost und Erkenntnis. Rousseau, der die Natur und die menschliche Seele so intensiv erforschte, wird hier als eine Art Schutzpatron oder gar als Heilsbringer stilisiert.

Die letzten Strophen des Gedichts sind von einer melancholischen Hoffnung geprägt. Die Erzählerin erkennt die Parallelen zwischen Rousseaus Erfahrungen und ihrem eigenen Schmerz. Sie sehnt sich nach dem „Elysischen Frieden“ und der „Unsterblichen Wahrheit“, die Rousseau nach seinem Tod gefunden hat. Die Frage, ob sie, wie Rousseau, im Schoße der Nacht, also im Tod, Ruhe finden wird, unterstreicht die tiefe Traurigkeit und die Suche nach Erlösung von ihrem Leid. Das Gedicht endet mit der Vision einer Befreiung, des Entschwebens „mit strahlendem Flügel“ – ein Versprechen von Frieden und Ewigkeit.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.