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Die glücklichen Gatten

Von

Nach diesem Frühlingsregen,
Den wir so warm erfleht,
Weibchen, o sieh den Segen,
Der unsre Flur durchweht!
Nur in der blauen Trübe
Verliert sich fern der Blick;
Hier wandelt noch die Liebe,
Hier hauset noch das Glück.

Das Pärchen weißer Tauben,
Du siehst, es fliegt dorthin,
Wo um besonnte Lauben
Gefüllte Veilchen blüh′n.
Dort banden wir zusammen
Den allerersten Strauß
Dort schlugen unsre Flammen
Zuerst gewaltig aus.

Doch als uns vom Altare,
Nach dem beliebten Ja,
Mit manchem jungen Paare
Der Pfarrer eilen sah;
Da gingen andre Sonnen
Und andre Monden auf,
Da war die Welt gewonnen
Für unsern Lebenslauf.

Und hunderttausend Siegel
Bekräftigten den Bund,
Im Wäldchen auf dem Hügel,
Im Busch am Wiesengrund,
In Höhlen, im Gemäuer
Auf des Geklüftes Höh′,
Und Amor trug das Feuer
Selbst in das Rohr am See.

Wir wandelten zufrieden,
Wir glaubten uns zu zwei;
Doch anders war′s beschieden
Und sieh! wir waren Drei,
Und Vier′ und fünf′ und Sechse,
Sie saßen um den Topf,
Und nun sind die Gewächse
Fast all′ uns über′n Kopf.

Und dort in schöner Fläche
Das neugebaute Haus
Umschlingen Pappelbäche,
So freundlich sieht′s heraus:
Wer schaffte wohl da drüben
Sich diesen frohen Sitz?
Ist es mit seiner Lieben
Nicht unser braver Fritz?

Und wo im Felsengrunde
Der eingeklemmte Fluß
Sich schäumend aus dem Schlunde
Auf Räder stürzen muß:
Man spricht von Müllerinnen
Und wie so schön sie sind;
Doch immer wird gewinnen
Dort hinten unser Kind.

Doch wo das Grün so dichte
Um Kirch und Rasen steht,
Da, wo die alte Fichte
Allein zum Himmel weht;
Da ruhet unsrer Toten
Frühzeitiges Geschick,
Und leitet von dem Boden
Zum Himmel unsern Blick.

Es blitzen Waffenwogen
Den Hügel schwankend ab;
Das Heer, es kommt gezogen,
Das uns den Frieden gab.
Wer mit der Ehrenbinde
Bewegt sich stolz voraus?
Es gleichet unserm Kinde!
So kommt der Karl nach Haus.

Den liebsten aller Gäste
Bewirtet nun die Braut;
Sie wird am Friedensfeste
Dem Treuen angetraut.
Und zu den Feiertänzen
Drängt jeder sich herbei;
Da schmückest du mit Kränzen
Der jüngsten Kinder drei.

Bei Flöten und Schalmeien
Erneuert sich die Zeit,
Da wir uns einst im Reihen
Als junges Paar gefreut,
Und in des Jahres Laufe,
Die Wonne fühl ich schon!
Begleiten wir zur Taufe
Den Enkel und den Sohn.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die glücklichen Gatten von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die glücklichen Gatten“ von Johann Wolfgang von Goethe zeichnet ein bewegendes Bild vom Wandel des Lebens, von den Freuden der Liebe bis zu den Herausforderungen und dem Reichtum des Familienlebens. Es ist eine Reise durch verschiedene Phasen des Lebens, die durch eine Mischung aus Freude, Trauer und dem unaufhaltsamen Fortschreiten der Zeit gekennzeichnet sind. Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung einer idyllischen Szene, die die Freude der Liebe und die Einheit des Paares feiert, ähnlich einer idealisierten Naturlandschaft, die von gemeinsamer Freude durchzogen ist.

Im weiteren Verlauf des Gedichts entwickelt sich diese Idylle. Die anfängliche Zweisamkeit wird durch die Ankunft von Kindern erweitert, was die Freude multipliziert, aber auch neue Verantwortungen und Herausforderungen mit sich bringt. Goethes Verwendung von Bildern wie dem „Topf“ und den „Gewächsen“ verdeutlicht das Wachstum und die Ausbreitung der Familie, die jedoch mit der Zeit ihre Grenzen erreicht. Die Kinder wachsen über ihre Eltern hinaus, was symbolisch dafür steht, dass die Eltern nicht mehr im Zentrum des Familienlebens stehen.

Das Gedicht wendet sich dann der Vergangenheit und dem gegenwärtigen Moment zu. Die Erwähnung von Friedhof und Krieg deutet auf die Vergänglichkeit des Lebens und die Unvermeidlichkeit von Verlusten hin. Die Rückkehr des Sohnes, der als Kriegsheld gefeiert wird, bringt neue Freude und ein Gefühl des Stolzes. Die Braut wird am Friedensfeste dem treuen Ehemann angetraut, was die Fortsetzung der Liebe und des Ehebundes, in all seinen Variationen, symbolisiert. Die Feierlichkeiten werden mit Tänzen und der Schmückung der jüngsten Kinder gefeiert, was die Kontinuität der Generationen betont.

Das Gedicht endet mit einer Vision der Zukunft, in der das Paar die Taufe des Enkels und des Sohnes erlebt, was den Kreislauf des Lebens vollendet. Die Rückkehr des Paares zum Ausgangspunkt, aber mit einer völlig neuen Perspektive, wird durch die Wiederholung des „Reigens“ und der „Feierlichkeiten“ noch deutlicher. Es ist ein Kreis, der mit dem Frühling, der Liebe und der Freude am Leben beginnt, sich durch das Wachsen und das Vergehen der Jahre windet und mit der Erinnerung an die Jugend und dem Blick in die Zukunft endet.

Insgesamt ist „Die glücklichen Gatten“ ein ergreifendes Gedicht über die Liebe, die Familie und die Vergänglichkeit des Lebens, das die Leser einlädt, über die Freuden und Leiden des menschlichen Daseins nachzudenken. Es ist ein Gedicht über die Freude und die Verluste, die mit dem Laufe der Zeit einhergehen, und über die tiefe Bindung, die Familie und Liebe über Generationen hinweg schafft.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.