Die Büsumer wohnen am Meeresstrand
Und sind für kluge Leute bekannt,
Nur treiben sie die Bescheidenheit
In manchem Stücke gar zu weit.
Des einen Sonntags ihrer neun
Schwimmen sie weit in die See hinein.
Auf einmal, wie das Meer so schwankst,
Wird einem um die andern Angst,
Und zählt sie alle: Eins, zwei, drei,
Bis acht – und läßt sich aus dabei,
Denn er ist echtes Büsumer Kind,
Die immer so bescheiden sind.
Ein zweiter probierts, zählt: Eins, zwei, drei,
Bis acht – und vergißt sich auch dabei.
Da schwimmen sie alle bestürzt ans Land,
Wo eben ein kluger Fremder stand.
Dem klagten sie jammernd ihre Not
Und sagten: Von uns ist einer tot!
Und wußten nicht, welcher ertrunken sei!
Und jammern und zählen immer aufs neu,
Und finden immer nur wieder acht,
Weil jeder bescheiden an sich nicht gedacht.
Der Fremde sprach: Bescheidenheit
Führt euch, ihr guten Leute, zu weit,
Steck jeder die Nas in den Sand einmal,
Und zählt die Tupfen, so habt ihr die Zahl.
Sie folgten dem Fremden, da zählten sie – neun!
Und luden vor Freud ihn zum Frühstück ein.
Die Büsumer
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Büsumer“ von August Kopisch ist eine humorvolle und lehrreiche Anekdote, die die übertriebene Bescheidenheit der Einwohner des norddeutschen Küstenortes Büsum karikiert. Der Dichter nutzt eine einfache Sprache und einen eingängigen Reim, um eine alltägliche Situation aufzugreifen und sie mit subtiler Ironie zu versehen. Die Geschichte entfaltet sich in einer Reihe von missglückten Zählversuchen, die die Unfähigkeit der Büsumer zeigen, sich selbst zu berücksichtigen.
Die zentrale Pointe des Gedichts ist die ironische Darstellung der Selbstvergessenheit, die durch die übermäßige Bescheidenheit der Büsumer entsteht. Sie sind so darauf bedacht, sich selbst zu unterschätzen und zu übersehen, dass sie die einfachsten Dinge nicht bewältigen können. Der erste Zählversuch, bei dem einer der Büsumer bis acht zählt und sich selbst dabei vergisst, verdeutlicht dies auf humorvolle Weise. Die Angst, die sie umtreibt, und ihr Bemühen, die anderen zu retten, zeigt zwar ihre Hilfsbereitschaft, führt aber zu einem absurden Ergebnis.
Die Ankunft des Fremden, der die Büsumer mit einer einfachen Lösung konfrontiert, markiert einen Wendepunkt in der Geschichte. Er bietet ihnen eine pragmatische Lösung, die ihre Selbstvergessenheit durchbricht und ihnen ermöglicht, das Problem zu lösen. Die Aufforderung, die Nasen in den Sand zu stecken und die Tupfen zu zählen, ist ein subtiler Hinweis auf ihre Selbstzentriertheit, die sie daran hindert, über den Tellerrand hinauszublichen. Die abschließende Freude und Einladung zum Frühstück unterstreicht die Befreiung von ihrer fixen Idee.
Kopischs Gedicht ist mehr als nur eine humorvolle Geschichte. Es ist eine subtile Kritik an der Übertreibung einer Tugend. Die Bescheidenheit, so die Botschaft, ist zwar eine gute Eigenschaft, darf aber nicht zu Selbstverleugnung und Unfähigkeit führen. Der Dichter verwendet Ironie und Witz, um diese Botschaft zu vermitteln und gleichzeitig die Eigenheiten einer bestimmten Region und ihrer Bewohner mit Sympathie zu beleuchten. Das Gedicht ist ein Beispiel dafür, wie Alltagssituationen durch poetische Mittel auf humorvolle und lehrreiche Weise dargestellt werden können.
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