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Der Winter

Von

Isch echt da obe Bauwele feil?
Sie schütten eim e redli Teil
in d′Gaerten aben und ufs Hus;
es schneit doch au, es isch en Gruus;
und′s hängt no menge Wage voll
am Himmel obe, merki wol.

Und wo ne Ma vo witem lauft,
so het er vo der Bauwele gchauft;
er treit sie uf der Achsle no
und uffem Huet und lauft dervo.
Was laufsch denn so, du närsche Ma?
De wirsch sie doch nit gstohle ha?

Und Gärten ab und Gärten uf
händ alli Scheie Chäppli uf.
Sie stöhn wie grossi Here do;
sie meine, s′heig′s sost niemes so.
Der Nussbaum het doch au si Sach
und′s Herehus und′s Chilchedach.

Und wo me luegt, isch Schnee und Schnee,
me sieht ke Stross und Fuessweg meh.
Meng Somechörnli, chlei und zart,
lit unterm Bode wohl verwahrt,
und schnei′s, so lang es schneie mag,
es wartet uf si Ostertag.

Meng Summervögeli schöner Art
lit unterm Bode wohl verwahrt;
es het kei Kummer und kei Chlag
und wartet uf si Ostertag;
und gang′s au lang, er chunnt emol,
und sieder schloft′s und′s isch em wohl.

Doch wenn im Frühlig′s Schwaelmli singt
und d′Sunnewärmi abe dringt,
potz tausig, wacht′s in jedem Grab
und streift si Totehemdli ab.
Wo numme au ne Löchli isch,
schlieft′s Leben use jung und frisch.

Do fliegt e hungerig Spaetzli her!
e Broesli Brot waer si Begehr.
Es luegt ein so verbaermli a;
′het sieder nechte nuet meh gha.
Gell, Buerstli, sell isch anderi Zit,
wenn s′Chorn in alle Fure lit?

Do hesch! Loss andern au dervo!
Bisch hungerig, chasch wieder cho!
′s muess wohr si, wie′s e Spruechli git:
„Sie seihe nit und ernde nit;
sie hen kei Pflueg und hen kei Joch,
und Gott im Himmel naehrt sie doch.“

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Winter von Johann Peter Hebel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Winter“ von Johann Peter Hebel ist eine idyllische Beschreibung der Winterlandschaft, die auf eine volksliedhafte Weise die Beobachtungen und Gefühle des Erzählers widerspiegelt. Es beginnt mit der Frage nach dem Preis des „Bauwele“ (Schnee) und beschreibt die allgemeine Schneebedeckung von Gärten, Häusern und der Umgebung. Diese einleitenden Strophen etablieren die winterliche Szenerie und deuten bereits auf die für Hebel typische Verbindung von Naturbeobachtung und menschlicher Reflexion hin.

Im Verlauf des Gedichts werden verschiedene Aspekte des Winters beleuchtet. Die Beschreibung des Mannes, der mit Schnee auf Schultern und Hut davonläuft, könnte als humorvolle Beobachtung der menschlichen Reaktion auf die winterlichen Bedingungen interpretiert werden, wobei die Frage nach dem Diebstahl des Schnees eine ironische Note hinzufügt. Die folgenden Strophen widmen sich den verschiedenen Elementen der Landschaft, die unter dem Schnee verhüllt sind, wie Gärten, Nussbäume, Häuser und Kirchendächer. Diese Bilder vermitteln eine stille, harmonische Atmosphäre, in der die Natur in ihrer Winterruhe dargestellt wird.

Die dritte und vierte Strophe führen eine tiefere Ebene der Reflexion ein. Der Erzähler erinnert sich an das Leben unter der Schneedecke, an die schlafenden Samen und die „Summervögeli“, die auf den Frühling und ihren „Ostertag“ warten. Hier wird die Symbolik des Winters als Zeit der Ruhe, der Erholung und des Wartens auf die Wiedergeburt des Frühlings deutlich. Die Metapher des „Ostertags“ deutet auf das Versprechen der Erneuerung und des ewigen Kreislaufs des Lebens hin.

Der Übergang zum Frühling und dem Aufwachen aus dem Winterschlaf in der sechsten Strophe verdeutlicht das Ende der Ruhezeit. Die sich ankündigende Wärme lässt alles aus seinem „Totehemdli“ treten, was die Hoffnung auf das Leben und die Freude am Neubeginn symbolisiert. Das Erscheinen des Spatzen, das hungrig nach Nahrung sucht, verstärkt die soziale Komponente des Gedichts und die Fürsorge für das Tier.

Das Gedicht schließt mit der Geste der Großzügigkeit und dem Verweis auf das biblische Gleichnis von den Lilien auf dem Feld, die nicht säen und ernten, aber von Gott ernährt werden. Dies bekräftigt die Botschaft der Hoffnung und des Glaubens an die göttliche Fürsorge, selbst in den widrigen Bedingungen des Winters. Hebel verbindet hier auf meisterhafte Weise Naturbetrachtung, menschliche Beobachtung und religiöse Reflexion, um ein vielschichtiges Bild der Jahreszeit und des Lebens zu zeichnen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.