Umsonst ist dein Bemühen,
O Sumpf, mich anzulocken!
Wie sehr mir auch dein sammtnes,
Nur zart begrastes Ufer,
Wie sehr mir auch dein Schilfrohr,
Das Winde sanft bewegen,
Und die goldfarbnen Blumen
Gefallen, die dich zieren
Und sich, wie dein Gewässer,
Erheben oder senken,
Werd′ ich dir doch nicht nahen.
Zu viel hat mir die Mutter
Erzählt von den Gefahren,
Die auf den Unerfahrnen,
Der dir zu nah kommt, lauern,
In deinem Schlamme wohnen
Die gelbgefleckte Kröte,
Und gier′ge Wasserschlangen,
Die, wenn sie Kinder sehen,
Schnell auf das Ufer kommen
Und um den Fuß sich winden,
Der tief und immer tiefer
In die vermeinte Wiese
Versinkt, bis endlich Rettung
Unmöglich ist. Das steht uns
Bevor am hellen Tage.
Hat sich die Nacht gesenket,
So lockest du den Wandrer
Von weitem an mit deinen
Unsteten, leichten Flammen,
Die in der Geisterstunde
(Vielleicht, wer kann das wissen,
Sind selbst sie Geister) seltsam
Sich hin und her bewegen
In schauerlichen Tänzen.
Nein, Sumpf! vergebens harrst du
Auf mich; mir schaudert, wenn ich
Auch nur so an dich denke.
Der Sumpf
Mehr zu diesem Gedicht
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen
Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Sumpf“ von Elisabeth Kulmann ist eine eindringliche Warnung vor den Gefahren des Lebens, personifiziert durch das Bild eines Sumpfes. Die Dichterin wendet sich direkt an den Sumpf und lehnt dessen verführerische Anziehungskraft entschieden ab. Die Naturerscheinungen, die den Sumpf umgeben – das zart begraste Ufer, das Schilfrohr, die goldenen Blumen – werden zwar als ansprechend beschrieben, aber ihre Schönheit kann die Furcht, die von dem Sumpf ausgeht, nicht überwinden. Die klare Ablehnung des Sumpfes, mit dem wiederholten „Nein, Sumpf!“, unterstreicht die Entschlossenheit der Erzählerin, sich den Gefahren nicht hinzugeben.
Die Gefahren, die im Sumpf lauern, werden explizit beschrieben und dienen als Metapher für die Fallen und Versuchungen im Leben. Die Mutter hat die Erzählerin vor diesen Gefahren gewarnt, was auf eine erzieherische Botschaft und die Bedeutung von Erfahrung und Vorsicht hindeutet. Die gelbgefleckte Kröte und die gierigen Wasserschlangen symbolisieren die versteckten Bedrohungen, die auf unachtsame Menschen lauern. Die Metapher des Versinkens im Schlamm, ohne Rettung, verdeutlicht die verheerenden Folgen der Verlockung. Der Sumpf wird somit als Ort des Verderbens dargestellt, der Unwissenheit und Unerfahrenheit gnadenlos bestraft.
Die zweite Strophe erweitert die Bedrohung durch das Bild der „unstarten, leichten Flammen“, die in der Nacht den Wanderer anlocken. Diese Flammen werden als Geisterwesen beschrieben und verstärken die unheimliche Atmosphäre. Die „schauerlichen Tänze“ der Flammen suggerieren eine Täuschung, ein verführerisches Blendwerk, das den Wanderer in die Irre führen soll. Die Nacht wird hier zum Zeitpunkt der größten Gefahr, in dem der Sumpf seine heimtückischsten Verlockungen einsetzt. Die Furcht, die durch die Beschreibung der nächtlichen Szenerie hervorgerufen wird, unterstreicht die emotionale Intensität der Ablehnung.
Kulmanns Gedicht ist geprägt von einem starken Gefühl der Furcht und des Widerstands. Die direkte Ansprache an den Sumpf, die detaillierten Beschreibungen der Gefahren und die abschließende kategorische Ablehnung erzeugen eine beklemmende Atmosphäre. Der Sumpf wird nicht nur als Naturphänomen, sondern als Personifizierung des Bösen dargestellt, das mit aller Macht versucht, die unvorsichtigen Menschen in den Abgrund zu ziehen. Das Gedicht dient als Mahnung zur Vorsicht und zur kritischen Betrachtung der Welt, in der die Schönheit oft mit versteckten Gefahren einhergeht.
Weitere Informationen
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.