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Der Storch

Von

Nach dem Frieden von 1797
Willkumm, Heer Storch!Bisch au scho do,
un schmecksch im Waiher d’Frösche scho?
Un mainsch, der Winter haig sy Sach,
un ’s besser Wetter chömm alsgmach?
He jo, der Schnee gieng überal;
me maint, es werd scho grüen im Tal.
Der Himmel isch so rain un blau,
un’s wäiht ain a so mild un lau. –
Nai looset, wie n er welsche cha!
Verstoht men au ne Wörtli dra?
Drum chunnt er über Strom un Meer
uus wyte, fremde Ländere her.
Was bringsch denn Neus uus Afrika?
Sie henn gwiß au so Umständ gha
un d’Büchse gspannt un d’Säbel gwetzt
un Freihaitsbäum vor d’Chilche gsetzt?
De hesch so roti Strümpfli a.
Isch öbbe Bluet vom Schlachtfeld dr’a?
Wo hesch die schwarze Fegge gnoo?
Bisch öbbe z’nooch an d’Flamme choo?
Um das hättsch über Land un Meer
nit raise dörfe hi un her
vom Rhiistrom bis in Afrika;
de hättsch’s jo in der Nööchi gha.
Mer wüsse laider au dervo,
un menggi Wunde bluetet no,
un’s druckt no mengge Chummer schwer,
un mengge schöne Trog isch leer.
Un wyter, an den Alpe hi,
isch’s, Gott erbarm’s, no ärger gsi,
un Weh un Ach het uus em Wald
un uus de Berge widerhallt.
An ’s Wilhelm Telle Freihaitshuet
hangt mengge Tropfe Schwyzerbluet.
Wie het’s nit um en blitzt un gchracht
un dunderet in der Wetternacht!
Doch öbben in der Wetternacht
het Gottis Engel au no gwacht. –
Was peppersch?Mer verstöhn di nit.
Schwätz dütli, wenn de rede witt.
Gang, hol ain’s Becke Chasperli!
Er isch e Rung im Welschland gsi;
er het emool go Vivis gschmeckt
un wie der Storch sy Schnabel gstreckt.
Un welsche chan er, ’s isch e Gruus;
es bliibt ke Wendele n im Huus,
un ’s Glas stoht a de Fensteren ab;
wer waiß, verstoht er Chlipp un Chlapp.
Zwor würd er anderi Gschäfte ha;
er martschet näume, wenn er cha: ,
„jetz Chrütz im Baum, un Sackertie!
Ne Mooß verspilt! Potz Mundie!“
`s isch gnueg, Heer Storch!Mer wüsse’s scho,
un was de saisch, mer glaube’s jo!
Es freut di au, aß ’s Dorf no stoht
un alles gsund isch – dank der Gott!
`s isch au nit alles grad un recht,
un ’s Nochbers Chind isch sölli schlecht;
my Gschwai het hinecht by nem gwacht;
`s liet Gichtcr gha die ganzi Nadit.
Sust möcht’s, gottlob, so zimli goh,
un’s Feldpickett isch nümme do;
wo Lager gsi sinn, Zelt an Zelt,
goht jetz der Pflueg im Ackerfeld.
Un der, wo d’Storche haißet choo
un d’Rabe nährt, isch au no do;
er schafft den Arme Brot ins Huus
un hailt die alte Presten uus.
Un wo me luegt un luege cha,
se- lächlet ain der Friden a
wie Morgeliecht, wenn d’Nacht vergoht
un d’Sunne hinter de Tanne stoht.
Gang, lueg e wenig d’Gegnig a!
I glaub, de wirsch e Gf alle ha.
My Matten isch der wohl bikannt,
am Brunnen abe linker Hand.
Un triff sch am Bach e Fröschli a,
sen isch’s der gunnt.Verstick nit dra!
Un, was i bitt, loß d’Imme goh!
My Große sait, si fliege scho.

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Gedicht: Der Storch von Johann Peter Hebel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Storch“ von Johann Peter Hebel ist eine humorvolle und zugleich nachdenkliche Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Friedens nach den Wirren der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen. Es ist in alemannischer Mundart verfasst und verwendet die Ankunft des Storches als Anlass für einen Dialog, der die Erwartungen, die Freuden und die Schattenseiten des Friedens beleuchtet.

Der Storch, der als Bote des Frühlings und des Friedens begrüßt wird, ist der Adressat des Gedichts. Die anfängliche Freude über seine Ankunft, die mit Fragen nach dem Winter und dem Wetter verbunden ist, weicht schnell der Auseinandersetzung mit den Erfahrungen des Krieges. Der Erzähler hinterfragt, was der Storch aus Afrika mitbringt, und deutet an, dass der Storch von den politischen Umwälzungen in Europa, wie der Aufstellung von Freiheitsbäumen und den gewaltsamen Auseinandersetzungen, berichten könnte. Die rote Farbe der Strümpfe des Storches wird als Hinweis auf das Blutvergießen auf den Schlachtfeldern interpretiert.

Die zweite Hälfte des Gedichts ist von einem tieferen Nachdenken über die Leiden des Krieges geprägt. Der Erzähler beklagt die Wunden und den Kummer, die der Krieg hinterlassen hat, und erinnert an die Grausamkeiten, die in den Alpen stattfanden. Gleichzeitig wird aber auch die Hoffnung auf Frieden und Erholung geäußert, indem das Wirken Gottes als schützende Macht in der stürmischen Zeit erwähnt wird. Der Erzähler wendet sich dann in einer ironischen Note an einen Kasperli, der angeblich auch die französische Sprache beherrscht, und weist auf die Schwierigkeiten der Verständigung hin.

Das Gedicht endet mit einer positiven Note. Der Erzähler dankt für den Frieden und stellt die positiven Aspekte des Lebens im Dorf heraus, wie die Gesundheit der Menschen, das Fehlen des Militärs und die Rückkehr zur Arbeit auf den Feldern. Die Natur wird als Quelle der Freude dargestellt, und der Erzähler lädt den Storch ein, die Umgebung zu erkunden. Der Hinweis auf die Bienen am Ende des Gedichts deutet auf die Bedeutung von Fleiß und Gemeinschaft in der wiedergefundenen Ruhe hin.

Hebels „Der Storch“ ist somit mehr als nur ein Gedicht über die Rückkehr eines Vogels. Es ist eine Reflexion über Krieg und Frieden, über Verlust und Hoffnung, über die menschliche Fähigkeit, sowohl Leid zu erfahren als auch nach Genesung und einem Neubeginn zu streben. Durch die humorvolle Verwendung der Mundart und die Mischung von Ernst und Ironie gelingt es Hebel, die komplexen Gefühle der Nachkriegszeit einzufangen und eine Botschaft des Optimismus zu vermitteln.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.