Es schwingt die Nacht ihr dunkles
Gefieder und entweichet
Langsamen Flugs gen Norden.
Es zeigt in weißem Flor sich
Die Dämmrung in des Morgens
Geraumen Silberhallen,
Und weckt mit leisem Lispeln
Die Nachtigall. In festlich
Langsamem Ton beginnt sie
Ihr Lied zum Lob der Sonne;
Da naht im Purpurschleier
Die holde Morgenröthe,
Und streut die Fülle Rosen
Vom Morgenthor bis wo sich
Der Sonnenweg bemerkbar
In′s Himmelblau erhebet.
Geendet hat ihr Loblied
Die Nachtigall; es tönet
Das laute Chor der Lerchen
Und andrer Sängerinnen,
Begleitet von Gesäusel
Des regen Laubs der Bäume….
Da sinken und verwandeln
Allmählig sich die weiten
Prachtvollen Säulenhallen
Des Morgenroths, und werden
Zu einem See von Purpur,
Wo Wellen gegen Wellen
Sich heben, sich bekämpfen,
Allmählig in einander
Verfließen, um auf′s neu sich
Zu heben und zu kämpfen.
Doch seht! ein goldnes Meerschiff,
Geschmückt mit Strahlengarben,
Zertheilt die Purpurwogen
Mit herrscherischem Gange.
Es ist das Schiff der Sonne,
Der Königin des Weltalls.
Der Sonnenaufgang
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Sonnenaufgang“ von Elisabeth Kulmann beschreibt in detaillierten Bildern den Wechsel von Nacht zu Tag und die Ankunft der Sonne. Das Gedicht ist inhaltlich in mehrere Phasen unterteilt: den Abzug der Nacht, die Ankunft der Dämmerung, das Erwachen der Natur durch den Gesang der Nachtigall und die Morgenröte, und schliesslich den Einzug der Sonne am Himmel. Kulmann nutzt eine reichhaltige Bildsprache, um die Schönheit und den Wandel des Morgens darzustellen.
Die Strophen des Gedichts sind durchzogen von Naturbildern und personifizierten Elementen. Die Nacht wird als ein Wesen mit „dunklem Gefieder“ dargestellt, das langsam weicht. Die Dämmerung erscheint in „weißem Flor“, und die Morgenröte wird als „holde“ Königin mit Purpurschleier beschrieben. Diese Personifikationen verleihen dem Gedicht eine lebendige Qualität und erleichtern die emotionale Verbindung des Lesers zur Naturbetrachtung. Das Gedicht ist somit eine detaillierte Naturbeschreibung, die durch die Verwendung von Personifikationen verlebendigt wird.
Die zentralen Themen des Gedichts sind der Kreislauf der Natur, die Schönheit des Morgens und die Erhabenheit der Sonne. Kulmanns Verwendung von Bildern, die sich über die verschiedenen Phasen des Sonnenaufgangs erstrecken, unterstreicht die kontinuierliche Veränderung und Erneuerung. Die Nachtigall, die Lerchen und das Gesäusel der Blätter symbolisieren das Erwachen der Natur. Die abschliessende Metapher des „goldnen Meerschiffs“ – der Sonne – vermittelt ein Gefühl von majestätischer Ankunft und Herrschaft.
Der Sprachstil ist feierlich und elegant, mit einer sorgfältigen Auswahl von Wörtern, die die malerische Qualität des Gedichts betonen. Die Verwendung von Metaphern wie „Purpurschleier“ und „goldnes Meerschiff“ sowie die detaillierten Beschreibungen der Farben und Bewegungen erzeugen ein beeindruckendes Bild. Die regelmässigen Reime und die rhythmische Struktur tragen zur Musikalität des Gedichts bei und unterstreichen die Harmonie der Naturbetrachtung.
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Lizenz und Verwendung
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