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Der Schiffbrüchige

Von

Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert!
Und ich selber, gleich einer Leiche,
Die grollend ausgeworfen das Meer,
Lieg ich am Strande,
Am öden, kahlen Strande.
Vor mir woget die Wasserwüste,
Hinter mir liegt nur Kummer und Elend,
Und über mich hin ziehen die Wolken,
Die formlos grauen Töchter der Luft,
Die aus dem Meer, in Nebeleimern,
Das Wasser schöpfen,
Und es mühsam schleppen und schleppen,
Und es wieder verschütten ins Meer,
Ein trübes, langweil′ges Geschäft,
Und nutzlos, wie mein eignes Leben.
|Die Wogen murmeln, die Möwen schrillen,
Alte Erinnrungen wehen mich an,
Vergessene Träume, erloschene Bilder,
Qualvoll süße, tauchen hervor.

Es lebt ein Weib im Norden,
Ein schönes Weib, königlich schön.
Die schlanke Zypressengestalt

Umschließt ein lüstern weißes Gewand;
Die dunkle Lockenfülle,
Wie eine selige Nacht,
Von dem flechtengekrönten Haupt sich ergießend,
Ringelt sich träumerisch süß
Um das süße, blasse Antlitz;
Und aus dem süßen, blassen Antlitz,
Groß und gewaltig, strahlt ein Auge,
Wie eine schwarze Sonne.

Oh, du schwarze Sonne, wie oft,
Entzückend oft, trank ich aus dir
Die wilden Begeistrungsflammen,
Und stand und taumelte, feuerberauscht –
Dann schwebte ein taubenmildes Lächeln
Um die hochgeschürzten, stolzen Lippen,
Und die hochgeschürzten, stolzen Lippen
Hauchten Worte, süß wie Mondlicht,
Und zart wie der Duft der Rose –
Und meine Seele erhob sich
Und flog, wie ein Aar, hinauf in den Himmel!

Schweigt, ihr Wogen und Möwen!
Vorüber ist alles, Glück und Hoffnung,
Hoffnung und Liebe! Ich liege am Boden.
Ein öder, schiffbrüchiger Mann,
Und drücke mein glühendes Antlitz

In den feuchten Sand.

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Gedicht: Der Schiffbrüchige von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Schiffbrüchige“ von Heinrich Heine ist eine ergreifende Klage über den Verlust von Hoffnung und Liebe, dargestellt aus der Perspektive eines Schiffbrüchigen. Die Eröffnung mit den Worten „Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert!“ setzt den tonalen Rahmen für die gesamte Ballade, ein Gefühl der Verzweiflung und des Verlusts. Der Sprecher liegt am Strand, verlassen und am Rande des Todes, umgeben von der leeren Weite des Meeres. Die Natur selbst, in Form der Wolken und Wellen, spiegelt die Sinnlosigkeit und das Leid des Protagonisten wider, wobei die sich wiederholende Bewegung des Wassers, die geschöpft und wieder ins Meer entlassen wird, das Gefühl der Wertlosigkeit und des Stillstands verstärkt.

Der zweite Abschnitt des Gedichts bricht diese Verzweiflung kurz auf, indem er eine Erinnerung an eine vergangene Liebe einführt. Ein „schönes Weib“, königlich schön, erscheint in der Erinnerung des Sprechers. Heines Beschreibung ist reich an sinnlichen Bildern: das „lüsterne weiße Gewand“, die „dunkle Lockenfülle“, die „schwarze Sonne“ in ihren Augen, die Worte sind „süß wie Mondlicht“ und „zart wie der Duft der Rose“. Diese Beschreibungen erzeugen eine erotische und idealisierte Darstellung der Geliebten, die die verlorene Liebe und die damit verbundenen Gefühle der Ekstase und des Glücks hervorhebt. Die Erinnerung wird jedoch rasch durch die Realität des gegenwärtigen Leidens und der Hoffnungslosigkeit unterbrochen.

Der Kontrast zwischen der leuchtenden Erinnerung an die Geliebte und der trostlosen Gegenwart am Strand verstärkt die Tragik des Gedichts. Die Erinnerungen an die Liebe, die in der Vergangenheit durch die Geliebte erfahren wurde, werden als Quelle für die Begeisterung interpretiert, nur um dann im gegenwärtigen Leid des Schiffbrüchigen verblasst zu sein. Die Erinnerungen an die Liebe werden in den letzten Strophen abrupt abgebrochen, da die „Wogen und Möwen“ aufgefordert werden zu schweigen, und die Realität des Verlustes triumphiert.

Das Gedicht kulminiert in der Akzeptanz des Verlustes und der finalen Verzweiflung. Der Sprecher wird wieder zum „öden, schiffbrüchigen Mann“, dessen glühendes Antlitz im feuchten Sand ruht, ein Bild völliger Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit. Der sandige Boden, der auch der Ort der Rettung hätte sein können, wird hier zu einem Ausdruck des Todes, da er als Ort der Hoffnungslosigkeit und als Symbol des Überlebens eines Mannes ohne Zukunft dargestellt wird.

Insgesamt ist „Der Schiffbrüchige“ ein tiefgründiges Gedicht, das die Themen Liebe, Verlust, Erinnerung und Verzweiflung durch kraftvolle Bilder und emotionale Sprache erforscht. Heine fängt die Zerrissenheit des menschlichen Geistes ein, der zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin- und hergerissen wird, und schafft so ein bleibendes Bild menschlichen Leids.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.