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Der Prager Musikant

Von

Mit der Fiedel auf dem Rücken,
Mit dem Kappel in der Hand,
Ziehn wir Prager Musikanten
Durch das weite Christenland.

Unser Schutzpatron im Himmel
Heißt der heilge Nepomuk,
Steht mit seinem Sternenkränzel
Mitten auf der Prager Bruck.

Als ich da hinausgewandert,
Hab ich Reverenz gemacht,
Ein Gebet ihm aus dem Kopfe
Recht bedächtig hergesagt.

Steht also in keinem Büchel,
Wie man′s auf dem Herzen hat:
Wanderschaft mit leerem Beutel,
Und ein Schätzel in der Stadt.

Wenn das Mädel singen könnte,
Wär′s gezogen mit hinaus,
Doch es hat ′ne heisre Kehle,
Darum ließ ich es zu Haus.

Ei, da gab es nasse Augen,
′s war mir selbst nicht einerlei:
Sprach ich: »′s ist ja nicht für ewig,
Schönstes Nannerl, laß mich frei!«

Und ich schlüpft aus ihren Armen,
Aus der Kammer, aus dem Haus,
Konnt nicht wieder rückwärts schauen,
Bis ich war zur Stadt hinaus.

Da hab ich dies Lied gesungen,
Hab die Fiedel zu gespielt,
Bis ich in den Morgenlüften
Auf der Brust mich leicht gefühlt.

Manches Vöglein hat′s vernommen:
Flög nur eins an Liebchens Ohr,
Säng ihr, wenn sie weinen wollte,
Dieses frische Liedel vor!

Wenn ich aus der Fremde komme,
Spiel ich auf aus anderm Ton.
Abends unter ihrem Fenster:
»Schätzel, Schätzel, schläfst du schon?«

Hoch geschwenkt den vollen Beutel,
Das gibt eine Musika!
′s Fenster klirrt, es rauscht der Laden,
Heilige Cäcilia!

All ihr Prager Musikanten,
Auf, heraus mit Horn und Baß,
Spielt den schönsten Hochzeitreigen!
Morgen leeren wir ein Faß.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Prager Musikant von Wilhelm Müller

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Prager Musikant“ von Wilhelm Müller erzählt in volksliedhafter Manier die Geschichte eines wandernden Musikers, der zwischen Fernweh und Sehnsucht nach seiner Geliebten, dem „Schätzel“ oder „Nannerl“, schwankt. Der Musikant zieht mit seiner Fiedel durchs Land, wobei die Reise als Metapher für ein Leben voller Unsicherheit und Abenteuerlust dient. Der Titel selbst gibt bereits die Herkunft des Musikers preis und verankert das Gedicht in einer konkreten geografischen und kulturellen Umgebung, die durch den Bezug auf den heiligen Nepomuk als Schutzpatron der Prager Brücke noch verstärkt wird.

Die zentrale Konfliktlinie des Gedichts liegt in der Ambivalenz zwischen dem Wunsch nach Freiheit und Abenteuer, symbolisiert durch die Wanderschaft, und der Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, verkörpert durch die Geliebte in Prag. Diese Spannung wird durch die melancholischen Verse über den Abschied, die Tränen des „Nannerl“ und die Trauer des Musikanten selbst spürbar. Die Zeilen „Wanderschaft mit leerem Beutel / Und ein Schätzel in der Stadt“ verdichten diesen Konflikt: Einerseits die Armut und das Entbehrungsreiche des Wanderlebens, andererseits die Liebe, die in der Ferne zurückgelassen werden muss.

Müllers Sprache ist schlicht und direkt, doch sie evoziert eindringlich die Gefühle des Musikers. Die Verwendung von volkstümlichen Elementen wie dem „Schätzel“, der „Fiedel“ und den einfachen Reimen unterstreicht den Charakter des Gedichts als Volkslied. Die Natur, insbesondere die „Morgenlüfte“ und die „Vöglein“, wird zur Zeugin der Sehnsucht des Musikers und dient als Botin seiner Liebe, die er durch das gesungene Lied an seine Geliebte übermitteln möchte. Dies verleiht dem Gedicht eine romantische Note und betont die Kraft der Musik als Ausdrucksmittel und Verbindung.

Das Gedicht kulminiert in der Vision einer glücklichen Wiedervereinigung, wenn der Musikant aus der Fremde zurückkehrt. Der Klang der Musik, das „Klirren“ des Fensters und das „Rauschen“ des Ladens, zeugen von der Freude und dem Fest, das gefeiert wird. Der „volle Beutel“ symbolisiert den Erfolg und die Erfüllung der Wanderschaft, während die Erwähnung der heiligen Cäcilia, der Schutzpatronin der Musik, die Bedeutung der Musik als Lebenselixier und Ausdruck von Freude hervorhebt. Die letzten Strophen, die eine Hochzeitsfeier in Aussicht stellen, lassen das Gedicht in einem hoffnungsvollen und fröhlichen Ausklang enden.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.