Das Auge blendend, heben
Sich in des Himmels Mitte
Prunkvolle Silberstufen
Aus leichtgewebten Wolken.
Es raget auf der Stufen
Erhabensten ein blanker
Topasner Thron, auf dem du
In Diamantenglanze
Am Mittag ruhst, o Sonne!
Nach allen Seiten strömen
Von deinem hehren Sitze
Zur Erde goldne Quellen
Herab, ein Strahlenregen,
Und dringen in des Erdreichs
Fruchtbaren Schooß, jedweden
Gewächses Keim entwickelnd.
Es ruhen Hirt und Herde
Indeß im kühlen Schatten
Am Rand des dunklen Waldes,
Und freuen sich des Baches,
Der ihren Durst mit klarer,
Reichhalt′ger Welle löschet.
Sieh, an derselben Stelle,
Wo gestern nichts als Grün war,
Bedecken heut die Wiese
Neuaufgesproßne Blumen!
Der Mittag
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Mittag“ von Elisabeth Kulmann beschreibt in lyrischer Form die Schönheit und Macht der Sonne zur Mittagszeit. Es beginnt mit einer detaillierten, fast bildhaften Beschreibung des Himmels, der von silbern schimmernden Wolken durchzogen ist, die wie Stufen angeordnet sind. Auf der obersten Stufe thront die Sonne, in ihrer majestätischen Erscheinung als „Topasner Thron“ und mit „Diamantenglanz“ beschrieben. Dieses Bild der Sonne als Königin, die über die Welt herrscht, etabliert direkt die zentrale Metapher des Gedichts: die Sonne als Quelle des Lebens und der Fruchtbarkeit.
In den folgenden Strophen wird die Wirkung der Sonne auf die Erde dargestellt. Goldene Strahlen, wie „goldne Quellen“, fließen zur Erde und in den Schoß des Erdreichs. Diese bildhafte Sprache betont die lebensspendende Kraft der Sonne, die Keime von Gewächsen zum Leben erweckt und so Wachstum und Fruchtbarkeit fördert. Die zweite Hälfte des Gedichts kontrastiert diese strahlende Pracht mit einer Szene der Ruhe und des Schutzes. Hirten und Herden suchen im kühlen Schatten des Waldes Zuflucht, wo sie sich an einem Bach erfrischen. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht das Wechselspiel zwischen Aktivität und Ruhe, zwischen der überwältigenden Kraft der Sonne und der Sehnsucht nach Schutz und Erholung.
Der Kontrast zwischen der Mittagsstille der Hirten und dem vitalen Geschehen auf den Wiesen unterstreicht die doppelte Bedeutung der Sonne: Sie ist sowohl Urheberin des Lebens als auch Gebieterin der Hitze und Trockenheit. Die abschließende Zeile, die das Erblühen der Blumen auf der Wiese hervorhebt, unterstreicht die transformierende Kraft der Sonne. Sie verwandelt die Landschaft, lässt sie erblühen und schenkt ihr neues Leben. Der Bezug auf die „neuaufgesproßnen Blumen“ deutet auf einen stetigen Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt hin, der durch die Sonne als treibende Kraft symbolisiert wird.
Kulmann verwendet eine erhebende Sprache, die reich an Bildern und Metaphern ist, um die Größe und Schönheit der Natur zu preisen. Der Rhythmus des Gedichts ist ruhig und fließend, was die entspannte Atmosphäre der Mittagszeit widerspiegelt. Der Fokus auf Details wie die „silbernen Wolkenstufen“ und den „Diamantenglanz“ der Sonne unterstreicht die Wertschätzung für das Naturschauspiel. Das Gedicht kann daher als Ode an die Sonne und als eine Feier des Lebens interpretiert werden, die in ihrer Gesamtheit die harmonische Beziehung zwischen Himmel und Erde, zwischen Mensch und Natur verdeutlicht.
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Lizenz und Verwendung
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