Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.

Der Lump

Von

Und bin ich auch ein rechter Lump,
So bin ich dessen unverlegen;
Ein frech Gemüt, ein fromm Gesicht,
Herzbruder, sind ein wahrer Segen!

Links nehm von Christi Mantel ich
Ein Zipfelchen, daß es mir diene,
Und rechts – du glaubst nicht, wie das deckt -,
Rechts von des Königs Hermeline.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Lump von Theodor Storm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Lump“ von Theodor Storm offenbart in vier Versen eine komplexe Auseinandersetzung mit Schein und Sein, Moral und gesellschaftlicher Konvention. Der Sprecher, der sich selbst als „rechter Lump“ bezeichnet, gibt unverblümt zu, seine charakterlichen Eigenschaften zu kennen und sich ihnen nicht zu schämen. Stattdessen scheint er eine gewisse Freiheit und Ungebundenheit in seiner Selbstbeschreibung zu finden, die im Widerspruch zu einer konventionellen, ehrbaren Lebensweise steht.

Der Kern der Aussage liegt in den beiden folgenden Versen, die einen Kontrast zwischen dem äußeren Erscheinungsbild und der inneren Haltung des Sprechers aufzeigen. Er beschreibt ein „frech Gemüt“, das durch ein „fromm Gesicht“ verdeckt wird. Diese Gegenüberstellung impliziert, dass der Sprecher sich der Kunst der Täuschung bedient, um sich gesellschaftliche Vorteile zu verschaffen oder seinen eigenen Wünschen zu folgen. Die Verwendung des Wortes „Herzbruder“ suggeriert dabei eine vertrauliche Ansprache an den Leser, der als Komplize in diesem Spiel des Scheins betrachtet wird.

Die beiden letzten Verse vertiefen diese Thematik weiter. Der Sprecher bedient sich bei scheinbar entgegengesetzten Autoritäten: „Christi Mantel“ auf der linken und „des Königs Hermeline“ auf der rechten Seite. Dies deutet auf eine opportunistische Haltung hin, bei der der Sprecher sich je nach Bedarf an religiösen und weltlichen Autoritäten bedient, um seine eigenen Ziele zu erreichen. Die Verwendung von „Zipfelchen“ und „deckt“ zeigt, dass er sich von beiden Seiten nur einen kleinen Teil nimmt, um seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und seine wahre Natur zu verbergen.

Insgesamt ist das Gedicht eine bissige Kritik an Heuchelei und Doppelmoral. Storm zeichnet das Porträt eines Menschen, der die gesellschaftlichen Konventionen durchschaut und sich ihre Elemente zunutze macht, um seine eigene Freiheit und Unabhängigkeit zu wahren. Die Ironie liegt darin, dass der „Lump“ seine wahre Natur offenbart und sich so auf eine gewisse Weise über die scheinheiligen Gepflogenheiten der Gesellschaft erhebt. Das Gedicht lädt dazu ein, die Grenzen zwischen Gut und Böse zu hinterfragen und die Komplexität der menschlichen Natur zu reflektieren.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.