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Der Hirtenknabe

Von

König ist der Hirtenknabe,
Grüner Hügel ist sein Thron;
Über seinem Haupt die Sonne
Ist die große, goldne Kron.

Ihm zu Füßen liegen Schafe,
Weiche Schmeichler, rotbekreuzt;
Kavaliere sind die Kälber,
Und sie wandeln stolzgespreizt.

Hofschauspieler sind die Böcklein;
Und die Vögel und die Küh,
Mit den Flöten, mit den Glöcklein,
Sind die Kammermusici.

Und das klingt und singt so lieblich,
Und so lieblich rauschen drein
Wasserfall und Tannenbäume,
Und der König schlummert ein.

Unterdessen muß regieren
Der Minister, jener Hund,
Dessen knurriges Gebelle
Widerhallet in der Rund.

Schläfrig lallt der junge König:
„Das Regieren ist so schwer,
Ach, ich wollt, daß ich zu Hause
Schon bei meiner Kön′gin wär!

In den Armen meiner Kön′gin
Ruht mein Königshaupt so weich,
Und in ihren schönen Augen
Liegt mein unermeßlich Reich!“

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Gedicht: Der Hirtenknabe von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Hirtenknabe“ von Heinrich Heine ist eine ironische und humorvolle Satire auf das Königtum und die Last der Herrschaft. Es beginnt mit einer idyllischen Szene, in der der Hirtenknabe als König dargestellt wird, der auf einem grünen Hügel thront, umgeben von einer naturalistischen „Hofgesellschaft“. Die Sonne wird zur Krone, die Schafe zu Untertanen, und die Tiere der Umgebung übernehmen die Rollen von Hofangestellten und Musikern. Diese anfängliche Beschreibung vermittelt ein Gefühl von Ruhe, Harmonie und scheinbarer Leichtigkeit.

Die Ironie des Gedichts offenbart sich jedoch im weiteren Verlauf. Der Kontrast zwischen der paradiesischen Szene und den Verantwortlichkeiten der Herrschaft wird durch die Einführung des „Ministers, jener Hund“ deutlich, dessen knurriges Gebelle die Idylle stört. Dieses Bild des Hundes, der die Regierungsgeschäfte ausführt, symbolisiert die tatsächliche Bürde und das Alltagsgeschäft der Herrschaft, die vom jungen König als mühsam empfunden wird. Das anfängliche Idyll weicht der Erkenntnis der Realität des Herrschens.

Der Übergang zum Wunsch nach dem Ende des Königs erfolgt mit dem König, der sich nach dem Ende des Tages sehnt. Der König möchte zu seiner Königin nach Hause gehen und sich vom Regieren erholen. Dies unterstreicht die Sehnsucht nach Trost und Geborgenheit in den Armen seiner Königin, die als Inbegriff von Liebe, Ruhe und Heimeligkeit dargestellt wird. Seine wahren Reichtümer liegen in ihren Augen, nicht in den Gütern, über die er herrscht.

Das Gedicht verwendet eine einfache, fast spielerische Sprache, die den Kontrast zwischen der heiteren Oberfläche und der tieferen, melancholischen Botschaft verstärkt. Die Verwendung von Reimen und der lockere Rhythmus erzeugen einen kinderliedartigen Charakter, der die Ironie des Gedichts unterstreicht. Heine gelingt es, durch diese einfache Form eine tiefgründige Kritik an den Erwartungen und den Bürden des Königtums zu äußern, während er gleichzeitig die Sehnsucht nach Liebe und Ruhe hervorhebt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.