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Der Herbst des Einsamen
Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.
Und hier und dort ein Krenz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns rubige Geberde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.
Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
Und Engel treten leise aus den blauen
Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Herbst des Einsamen“ von Georg Trakl zeichnet ein melancholisches Bild des Herbstes, das von Verfall, Einsamkeit und dem allgegenwärtigen Gefühl des nahenden Todes geprägt ist. Die ersten Verse beschreiben eine Welt, die von Fruchtbarkeit und Fülle zeugt, aber gleichzeitig bereits von der Verwesung des Sommers geprägt ist. Die „vergilbter Glanz“ und „verfallene Hülle“ deuten auf den unaufhaltsamen Lauf der Zeit und den Übergang von Leben zu Tod hin. Das „reine Blau“ mag dabei als ein Hoffnungsschimmer interpretiert werden, der jedoch von den „alten Sagen“ überlagert wird, die auf die Vergangenheit und die Vergänglichkeit allen Seins verweisen. Die Verwendung von Bildern wie „dunkle Fragen“ und „ödem Hügel“ verstärkt die Atmosphäre der Schwermut und des Verlustes.
Im zweiten Teil des Gedichts wird die Szenerie noch düsterer. Das Bild des „Kreuzes auf ödem Hügel“ ist ein deutlicher Hinweis auf Tod und Leid. Die „Herde“, die sich im roten Wald verliert, und der „Landmanns rubige Geberde“, die ruht, unterstreichen die Stille und Leere, die den Herbst kennzeichnen. Die Natur scheint sich in den „Weiherspiegel“ zu spiegeln, während der „blaue Flügel“ des Abends das „Dach von dürrem Stroh“ und die „schwarze Erde“ berührt, was die Vergänglichkeit und den Zerfall weiter betont. Die Betonung der Farben, besonders des Rot, Blau und Schwarz, erzeugt eine beklemmende Atmosphäre, die das Gefühl der Melancholie verstärkt.
Die letzten Strophen offenbaren eine subtilere, aber ebenso beunruhigende Dimension. Die „Sterne“ nisten sich in des „Müden Brauen“ ein, was auf das Ende der Lebenskraft und die Nähe des Todes hindeutet. Das „still Bescheiden“ in den „kühlen Stuben“ und die „Engel“, die aus den „Augen der Liebenden“ treten, könnten als Metaphern für das Eintauchen in die Innerlichkeit und das Leiden interpretiert werden. Das „knöchern Grauen“, das mit dem Rauschen des „Rohrs“ und dem „schwarzen Tau“ von den „kahlen Weiden“ einhergeht, verstärkt das Gefühl des unaufhaltsamen Verfalls und des nahenden Todes.
Trakls Gedicht ist somit eine eindringliche Reflexion über die Themen Vergänglichkeit, Einsamkeit und Tod. Die Bilder des Herbstes dienen als Metaphern für den menschlichen Zustand und das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit. Die Verwendung von dunklen Farben, melancholischen Bildern und einer gedämpften Sprache erzeugt eine beklemmende Atmosphäre, die den Leser in die Tiefen der menschlichen Seele eintauchen lässt, wo die Angst vor dem Tod und das Bewusstsein des eigenen Schicksals allgegenwärtig sind. Es ist ein Gedicht, das dazu einlädt, über die Bedeutung von Leben und Tod nachzudenken und die Schönheit des Verfalls zu erkennen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.