Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , ,

Der Gewitterabend

Von

O die roten Abendstunden!
Flimmernd schwankt am offenen Fenster
Weinlaub wirr ins Blau gewunden,
Drinnen nisten Angstgespenster.

Staub tanzt im Gestank der Gossen.
Klirrend stößt der Wind in Scheiben.
Einen Zug von wilden Rossen
Blitze grelle Wolken treiben.

Laut zerspringt der Weiherspiegel.
Möven schrein am Fensterrahmen.
Feuerreiter sprengt vom Hügel
Und zerschellt im Tann zu Flammen.

Kranke kreischen im Spitale.
Bläulich schwirrt der Nacht Gefieder.
Glitzernd braust mit einem Male
Regen auf die Dächer nieder.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Gewitterabend von Georg Trakl

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Gewitterabend“ von Georg Trakl entwirft eine düstere und beklemmende Szenerie, die von Angst, Zerstörung und dem nahenden Untergang geprägt ist. Trakl beschreibt in vier Strophen die Atmosphäre kurz vor, während und nach einem Gewitter, wobei er die Elemente der Natur mit menschlichen Ängsten und dem Gefühl von Verfall verbindet. Der Abend wird in leuchtenden Farben wie Rot und Blau dargestellt, die jedoch im Kontext des Gedichts eher beunruhigend wirken als idyllisch.

Die erste Strophe etabliert die beklemmende Atmosphäre. Das Weinlaub, das „wirr ins Blau gewunden“ ist, steht sinnbildlich für Verwirrung und Unordnung, während die „Angstgespenster“, die „drinnen“ nisten, das Gefühl der Bedrohung verstärken. Die zweite Strophe intensiviert die Zerstörung durch das Gewitter: Der „Staub tanzt“ im Gestank der Gossen, der Wind stößt „klirrend“ in die Scheiben, und Blitze treiben „grell“ die Wolken vor sich her. Diese gewaltsamen Bilder deuten auf eine Zerstörung der Ordnung hin, die auch in der folgenden Strophe ihre Fortsetzung findet.

In der dritten Strophe gipfelt die Zerstörung. Der „Weiherspiegel“ zerspringt, Möwen schreien, und ein „Feuerreiter“ – ein Sinnbild des Todes oder des Untergangs – stürzt in Flammen ab. Diese apokalyptischen Bilder werden durch die Beschreibung des Spitale, in dem „Kranke kreischen“, in der vierten Strophe noch verstärkt. Das „bläuliche“ Nachtgefieder und der plötzlich einsetzende Regen, der „glitzernd“ auf die Dächer niederbraust, deuten auf ein kurzes Aufblitzen der Erleichterung, doch die Grundstimmung bleibt düster und trostlos.

Trakl verwendet eine bildhafte Sprache, um die Emotionen der Angst und des Verfalls zu vermitteln. Seine Verwendung von Adjektiven wie „rot“, „wirr“, „grell“ und „bläulich“ erzeugt eine intensive Sinneserfahrung, die den Leser direkt in die beklemmende Atmosphäre des Gedichts eintauchen lässt. Das Gedicht ist somit eine eindringliche Darstellung der menschlichen Existenz inmitten von Zerstörung und Vergänglichkeit. Die Naturbilder werden dabei zu Spiegeln der inneren Zustände und des Untergangs.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.