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Der Geliebten

Von

Der Blas- und Eu-Phemieen reiche Kette
Hab′ ich geschlungen dir, Geliebte, um das Bein.
Und wenn ich sonst nichts von Belang mehr täte,
So könntest du mir Kakadu und Sperber sein.
Erinnre dich der Nacht in jenem Bette,
Als eine Spinne alle weißen Perlen fraß,
Als über dich gebeugt die Freundin Juliette
Zu Häupten dir und mir zu Füßen saß.
Empörte Fistelstimmen stelzten aus der Mette.
Tuberkulinsaft blumte groß auf Tisch und Wänden.
Der Mond hing sich ans Morgenrot in Glatzenglätte
Und malte grüne Ringel deinen Händen.
Dann kam der Sommer und ein groß Gefrette.
Auch Kraniche geruhn, sich hoch zu schneuzen.
Und wenn ich dies nicht zu bemerken hätte,
So hätte jenes nichts zu benedeuzen.
Nur sollt ich nicht gehabt die Telegraphendrätte
Zu sehr bewegt nach dir, als schließlich du entschwandest.
Denn dieses tatst du in der Magensätte
Des ersten Tags mit dem, den du nicht kanntest.

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Gedicht: Der Geliebten von Hugo Ball

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Geliebten“ von Hugo Ball ist ein komplexes und vielschichtiges Werk, das sich durch seinen Dada-Stil und die Verwendung von ungewöhnlichen Wortbildern und Sprachstrukturen auszeichnet. Es scheint auf den ersten Blick eine Liebeserklärung zu sein, doch die Sprache ist so eigenwillig und metaphorisch, dass eine eindeutige Interpretation erschwert wird. Ball bricht mit traditionellen Konventionen und nutzt eine fragmentierte Sprache, um Gefühle und Erinnerungen auszudrücken, die oft surreal und verstörend wirken.

Das Gedicht ist geprägt von einer Mischung aus Zärtlichkeit und Distanz, Obsession und Desillusionierung. Die „Blas- und Eu-Phemieen reiche Kette“ deutet auf eine sprachliche Fesselung oder Verehrung hin, die die Geliebte umgibt. Gleichzeitig werden bizarre Bilder wie „Kakadu und Sperber“ verwendet, um die Einzigartigkeit und möglicherweise auch die unerreichbare Natur der Geliebten zu betonen. Erinnerungen an eine vergangene Nacht, in der eine „Spinne“ „weiße Perlen fraß“, und die Anwesenheit der „Freundin Juliette“ deuten auf eine komplizierte Beziehung und mögliche Dreiecksverhältnisse hin. Die Atmosphäre wird durch seltsame Details wie „empörte Fistelstimmen“ und „Tuberkulinsaft“ weiter verfremdet, was auf eine kranke oder verstörte Szenerie hindeutet.

Die Natur spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Der Sommer, die Kraniche und der Mond, der sich am Morgenrot „in Glatzenglätte“ hängt, werden in die Beschreibung integriert. Diese Bilder verstärken die surreale Atmosphäre und können als Spiegelungen der emotionalen Zustände des Erzählers interpretiert werden. Die „grünen Ringel“ auf den Händen der Geliebten könnten als Zeichen von Vergiftung oder Verfall gedeutet werden, was die dunkle und melancholische Stimmung des Gedichts unterstreicht.

Das Ende des Gedichts deutet auf Trennung und Verlust hin. Die „Telegraphendrätte“ und die übermäßige Sehnsucht nach der Geliebten, die sich schließlich von dem Erzähler „entschwand“, unterstreichen die Schmerz und die Enttäuschung. Die letzte Zeile, in der die Geliebte am ersten Tag mit jemandem zusammen war, den der Erzähler nicht kannte, impliziert Verrat oder das Ende der Beziehung. Insgesamt ist „Der Geliebten“ ein dadaistisches Meisterwerk, das sich mit Themen wie Liebe, Verlust, Erinnerung und der Zerstörung von Illusionen auseinandersetzt, wobei die ungewöhnliche Sprache und die surrealen Bilder eine tiefgründige und gleichzeitig verstörende Erfahrung für den Leser schaffen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.