Der Gang von Wittow nach Jasmund
Verdammte lange schmale Heide!
Zu beiden Seiten brummt das Meer,
Versteckt in einem Aschenkleide,
Senkt sich der Himmel tief und schwer.
Im Wege liegen scharfe Steine
Und schneiden in die Sohlen mir –
Was Wunder, wenn ich seufz und weine,
So oft ich scheiden muß von hier?
In Wittows weizengrünen Auen
Wohnt meine liebe Mähderin:
Ich muß auf Jasmund Kreide hauen,
Dieweil ein Taugenichts ich bin.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Gang von Wittow nach Jasmund“ von Wilhelm Müller zeichnet ein Bild der Melancholie und des Kummers, der durch die Entfremdung von der geliebten Person, der „Mähderin“, hervorgerufen wird. Es ist eine Beschreibung einer beschwerlichen Wanderung, die durch die unwirtliche Landschaft Wittows führt, und gleichzeitig eine Reflexion über die persönliche Situation des Sprechers, der durch seine Tätigkeit auf Jasmund von seiner Geliebten getrennt wird. Die Landschaft wird als Spiegelbild der inneren Verfassung des Sprechers genutzt, wodurch eine tiefere emotionale Ebene geschaffen wird.
Die ersten beiden Strophen etablieren die beklemmende Atmosphäre. Die „verdammte lange schmale Heide“ und das „brummende Meer“ auf beiden Seiten erzeugen ein Gefühl der Isolation und Hoffnungslosigkeit. Die Beschreibung des Himmels, der sich „tief und schwer“ senkt, verstärkt diesen Eindruck der Schwere und des Unbehagens. Die „scharfen Steine“, die dem Sprecher in die Sohlen schneiden, sind nicht nur eine physische Belastung, sondern symbolisieren auch die Hindernisse und Schmerzen, die er auf seinem Weg erfährt. Der Seufzer und das Weinen des Sprechers sind daher nicht nur Ausdruck körperlicher Beschwerden, sondern auch des emotionalen Schmerzes, der durch die Trennung von der Geliebten verursacht wird.
In der letzten Strophe wird die Ursache für das Leid des Sprechers offenbart: die Liebe zu seiner „Mähderin“, die in den „weizengrünen Auen“ Wittows wohnt. Die Sehnsucht nach ihr wird durch das Wissen um die räumliche Distanz und die erzwungene Arbeit auf Jasmund verstärkt. Die abschließende Selbstbeschimpfung als „Taugenichts“ deutet auf eine innere Zerrissenheit und Selbstzweifel hin. Er scheint sich seiner Unwürdigkeit bewusst zu sein, was seinen Kummer noch verstärkt und die Trennung von seiner Geliebten als ungerechte Strafe erscheinen lässt.
Das Gedicht zeichnet sich durch seine Schlichtheit und Direktheit aus, die die Echtheit der Gefühle des Sprechers unterstreicht. Müllers Verwendung einfacher Sprache und klarer Bilder macht die emotionale Botschaft für den Leser unmittelbar erfahrbar. Die Landschaftsbeschreibungen sind nicht nur Kulisse, sondern spiegeln die innere Welt des Sprechers wider und verstärken das Gefühl der Melancholie und Sehnsucht. Der „Gang von Wittow nach Jasmund“ wird so zu einer Metapher für die beschwerliche Reise des Lebens und die schmerzhaften Erfahrungen, die mit Liebe und Verlust verbunden sind.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.