Ich lebte vor langer langer Zeit
In einem Raume,
Der ganz voll Licht war;
Es leuchteten wohl sämtliche Atome.
Und da kam plötzlich
Eine schwarze Sonne an,
Die schwarze Strahlen
Durch das Lichtreich sandte.
Die schwarzen Strahlen waren kühl
Und kühlten auch meinen heißen Leib,
Der selbstverständlich nicht
Aus dicken Stoffen sich zusammensetzte.
Nun brach sich jenes schwarze Licht,
Das ganz besondre Qualitäten zeigte,
In meinem heißen Leibe so,
Daß ich einen —
Schwarzen Schweif bekam;
Und spalten tat sich dieser Schweif
Und sah beinah so aus
Wie jene langen Streifen,
Die sich an Menschenfräcken
Unter den Händen
Fleißiger Schneider bilden.
Ich ward in jener alten alten Zeit
Ein Frack-Komet.
Ob sich für unsre Erde
Noch mal Kometen
Sichtbar machen könnten —
In Frackform?
Der Frack-Komet
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Frack-Komet“ von Paul Scheerbart ist eine skurrile und spielerische Auseinandersetzung mit den Themen Raum, Licht und Verwandlung. Der Dichter erschafft eine surreale Szenerie in einem „Raume, der ganz voll Licht war“, in dem die Atome leuchten. Der Eintritt einer „schwarzen Sonne“ und ihrer „schwarzen Strahlen“ bringt jedoch eine Veränderung in diese strahlende Welt. Diese schwarzen Strahlen, kühlend und kontrastierend, leiten eine Metamorphose des lyrischen Ichs ein.
Die Transformation des Ichs, das sich zuvor in der strahlenden Umgebung befand, ist von besonderer Bedeutung. Die schwarzen Strahlen brechen sich in seinem „heißen Leibe“, was zu einem „schwarzen Schweif“ führt. Scheerbart zieht hier eine überraschende Parallele zu einem Frack, der sich an den „langen Streifen“ orientiert, die bei der Herstellung von Menschenfräcken entstehen. Diese unerwartete Verbindung zwischen kosmischer Erscheinung und menschlicher Kleidung verleiht dem Gedicht einen humorvollen und ironischen Charakter. Es ist ein spielerischer Umgang mit der Vorstellung von Größe und Bedeutung, indem das Universum auf die menschliche Welt reduziert und gleichzeitig auf eine amüsante Weise erweitert wird.
Die abschließende Frage, ob Kometen in Frackform für die Erde sichtbar werden könnten, verstärkt den spielerischen Charakter des Gedichts. Sie regt die Fantasie an und lädt den Leser ein, über die Natur des Universums und die menschliche Wahrnehmung nachzudenken. Scheerbart stellt die Grenzen der Realität in Frage und eröffnet Raum für Spekulationen. Es wird angedeutet, dass das Auftreten des Frack-Kometen in der Vergangenheit eine einmalige Erscheinung war.
Das Gedicht ist ein Beispiel für Scheerberts avantgardistische Poesie. Es kombiniert futuristische Elemente mit verspielter Ironie und ist damit typisch für seinen einzigartigen Stil. Durch die Verwendung ungewöhnlicher Bilder und Metaphern, wie die „schwarze Sonne“ und der „Frack-Komet“, schafft Scheerbart eine surreale Welt, die den Leser herausfordert, über Konventionen hinauszudenken. Die Leichtigkeit des Gedichts, kombiniert mit seiner tiefgründigen Thematik, macht es zu einem faszinierenden Beispiel für moderne Poesie.
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