Der dicke Sack
Ein dicker Sack – den Bauer Bolte,
Der ihn zur Mühle tragen wollte,
Um auszuruhn mal hingestellt
Dicht an ein reifes Ährenfeld, –
Legt sich in würdevolle Falten
Und fängt ′ne Rede an zu halten.
Ich, sprach er, bin der volle Sack.
Ihr Ähren seid nur dünnes Pack.
Ich bin′s, der Euch auf dieser Welt
In Einigkeit zusammenhält.
Ich bin′s, der hoch vonnöten ist,
Daß Euch das Federvieh nicht frißt,
Ich, dessen hohe Fassungskraft
Euch schließlich in die Mühle schafft.
Verneigt Euch tief, denn ich bin Der!
Was wäret ihr, wenn ich nicht wär?
Sanft rauschen die Ähren:
Du wärst ein leerer Schlauch, wenn wir nicht wären.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der dicke Sack“ von Wilhelm Busch ist eine humorvolle Auseinandersetzung mit dem Thema Selbstüberschätzung und der Bedeutung von Zusammenarbeit. Es präsentiert in typischer Busch-Manier eine kurze, pointierte Szene, in der der dicke Sack Bolte, der das Getreide zur Mühle transportieren soll, seine eigene Bedeutung übertrieben hervorhebt. Der Kern der Satire liegt in der arroganten Rede des Sacks, der sich als essentiell für die Welt und die Getreideähren sieht.
Der Sack, in seiner Überheblichkeit, verkennt die wahre Grundlage seiner Existenz. Er beansprucht die Rolle des Retters und Erhalters, indem er behauptet, er würde die Ähren vor dem Federvieh schützen und sie in die Mühle bringen. Dabei vergisst er, dass er selbst nur durch die Ähren existiert und seine Funktion erst durch sie erfüllt wird. Die Aussage „Ich bin’s, der Euch auf dieser Welt / In Einigkeit zusammenhält“ ist besonders ironisch, da der Sack die Ähren nicht physisch zusammenhält, sondern sie lediglich in sich birgt. Die Sprache ist einfach und volkstümlich, was Buschs charakteristischen Stil widerspiegelt und die Komik verstärkt.
Die Antwort der Ähren, „Du wärst ein leerer Schlauch, wenn wir nicht wären.“, ist der Höhepunkt des Gedichts. Sie kontert die Prahlerei des Sacks mit einer einfachen, aber überaus wirkungsvollen Feststellung. Diese kurze, prägnante Antwort stellt die eigentliche Abhängigkeit des Sacks von den Ähren heraus. Die Ähren offenbaren, dass der Sack ohne sie nichts wäre. Dadurch wird die wahre Bedeutung von Zusammenarbeit und gegenseitiger Abhängigkeit hervorgehoben.
Busch nutzt hier die vermeintliche Selbstwichtigkeit des Sacks, um die menschliche Neigung zur Selbstüberschätzung zu karikieren. Das Gedicht vermittelt auf humorvolle Weise eine wichtige Lebensweisheit: Ohne die Leistungen anderer und ohne die Zusammenarbeit ist auch die scheinbar wichtigste Person nichts. Die einfache Form des Gedichts macht es leicht zugänglich und die Pointe bleibt auch für Kinder verständlich. Die Ironie der Situation, die in der kurzen, präzisen Antwort der Ähren kulminiert, macht „Der dicke Sack“ zu einem gelungenen Beispiel für Buschs satirische Kunst.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.