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Der alte Komödiant

Von

Der Vorhang rauscht und fliegt empor,
Ein alter Gaukler tritt hervor,
Mit Flitter sattsam ausstaffirt,
Sein ehrlich Antlitz roth beschmiert.

Du alter Mann mit dem weißen Haar,
Wie dauerst du mich im Herzen gar,
Der du vorm Grabe gaukelnd springst,
Damit du vom Pöbel ein Lächeln erzwingst!

Ein Lächeln über ein greises Haar
Und über die nahe Todtenbahr’!
Dieß eines Lebens höchster Preis!
Des deinen, armer, armer Greis!

Des Greises Hirn ist schwach und alt,
Der Liebsten selbst vergißt er bald;
Du aber zwängst mit Müh’ und Pein
Noch eitlen Floskelkram hinein.

Des Greises Arm ist abgespannt,
Man sieht nur noch die müde Hand
Zum Segen für Kind und Enkel erhöht
Und fromm gefaltet zum Gebet.

Doch deine Hand schlägt fort und fort
Den tollen Takt zu wüstem Wort,
Und all’ die Mühe, armer Mann,
Damit der Pöbel lachen kann.

Und schmerzt dich auch dein morsch Gebein,
Ei was, ‘s ist längst ja nimmer dein!
Du magst wohl weinen, alter Mann,
Wenn nur die Menge lachen kann!

Der Greis sich in den Lehnstuhl setzt,
Ei, wie das seine Glieder letzt!
»Der macht sich’s auch bequem, fürwahr!«
So murmelt’s spöttisch durch die Schaar.

Mit leisem abgebrochnen Ton
Beginnt er mühsam seinen Sermon.
»Der hält nun auch kein Schlagwort mehr!«
So zürnt es strafend ringsumher.

Der Greis lallt nur manch tonlos Wort,
Die Stimme bebt, es will nicht fort;
Noch ist sein Spruch nicht ganz heraus
Da schweigt er, als ging sein Athem aus.

Das Glöcklein schellt, der Vorhang sinkt,
Wer ahnt’s, daß ein Todtenglöcklein klingt?
Die Menge trommelt und pfeift dabei,
Wer ahnt’s daß ein Leichenlied dieß sei?

Der Alte lehnt im Stuhle todt,
Doch Leben heuchelt der Schminke Roth,
Die auf dem Antlitz blaß und kalt,
Wie eine große Lüge, prahlt.

Sie blieb auf des Alten Angesicht,
Wie eine Grabschrift, die da spricht,
Daß Alles Lug und Trug und Dunst,
Sein Leben, Treiben, seine Kunst!

Sein Wald, gemalt auf Leinwand grün,
Rauscht über sein Grab nicht klagend hin!
Es ist sein ölgetränkter Mond
Um Todte zu weinen nicht gewohnt.

Die Kunstgenossen umstehn den Greis,
Und Einer spricht zu seinem Preis:
»Heil ihm, denn, traun, ein Held ist der,
Der auf dem Schlachtfeld fiel, wie er!«

Ein Gauklerdirnlein als Muse gar
Legt dann dem Greis ins Silberhaar
Den grünpapiernen Lorbeerkranz,
Vom vielen Gebrauch zerknittert ganz.

Zwei Männer sind sein Leichenzug,
Die sind, den Sarg zu tragen, genug;
Und als sie ihn zu Grabe gebracht,
Hat Niemand geweint und Niemand gelacht.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der alte Komödiant von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der alte Komödiant“ von Anastasius Grün ist eine ergreifende Reflexion über das Leben, den Niedergang und die tragische Existenz eines alternden Schauspielers, der bis zum Ende seiner Tage versucht, das Publikum mit seiner Kunst zu unterhalten. Das Gedicht zeichnet ein düsteres Bild der Vereinsamung, des Verlusts und der Vergänglichkeit, indem es die Kluft zwischen der erzwungenen Heiterkeit des Komödianten und seinem inneren Schmerz aufzeigt.

Der erste Teil des Gedichts beschreibt den Auftritt des alten Komödianten auf der Bühne. Der alte Mann, geschmückt mit glitzerndem Tand, präsentiert sich dem Publikum, obwohl er weiß, dass er dem Tod entgegengeht. Die Zeilen „Du alter Mann mit dem weißen Haar, / Wie dauerst du mich im Herzen gar,“ drücken das Mitleid des lyrischen Ichs für den alten Mann aus, der sein Leben dem Applaus der Menge gewidmet hat. Der Kontrast zwischen dem künstlichen Lächeln des Komödianten und dem nahenden Tod, der durch die „Todtenbahr’“ angedeutet wird, verstärkt die Tragik der Situation.

Die folgenden Strophen enthüllen die physische und geistige Verfassung des Komödianten. Seine Erinnerungen verblassen, seine Kräfte schwinden, und er ist dennoch gezwungen, die Illusion aufrechtzuerhalten. Der Kontrast zwischen seinen körperlichen Beschwerden und dem Zwang, die Menge mit „wüstem Wort“ und „tollem Takt“ zu unterhalten, zeigt die Selbstaufopferung des Schauspielers für die Kunst und das Publikum. Die Erwähnung der Gebrechlichkeit seiner Glieder und seines Gebeins unterstreicht die menschliche Verletzlichkeit, die hinter der Maske der Heiterkeit verborgen liegt.

Der dramatische Höhepunkt des Gedichts ist der Zusammenbruch des Komödianten auf der Bühne. Seine Stimme versagt, er bricht zusammen, und der Vorhang fällt. Die Reaktion des Publikums, das in Gelächter und Zorn ausbricht, verdeutlicht die fehlende Empathie und das fehlende Verständnis für das Leid des alten Mannes. Nach seinem Tod wird die Welt wieder zur Bühne für eine letzte Vorstellung, die Schminke, die „wie eine große Lüge, prahlt“ und „Lug und Trug und Dunst“ seines Lebens symbolisiert. Die abschließenden Strophen schildern die kalte und unpersönliche Beerdigung, die die völlige Isolation des Schauspielers und die Sinnlosigkeit seines Lebensweges unterstreicht. Die Kunstgenossen bezeichnen ihn als Helden, doch die Emotionen bleiben oberflächlich und leer.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Der alte Komödiant“ ein tiefgründiges Gedicht über die menschliche Existenz, die Vergänglichkeit, das Streben nach Anerkennung und die Unbarmherzigkeit der Welt ist. Es ist eine Kritik an der Oberflächlichkeit des Publikums, das die tragische Wahrheit hinter der Maske des Künstlers nicht erkennt. Das Gedicht mahnt uns, über das oberflächliche Schauspiel hinauszublicken und die menschliche Würde und den Schmerz zu erkennen, die sich hinter der Fassade verbergen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.