Dembinski
Blauer Niemen, blauer Niemen,
Wie viel Blut hast du getrunken,
Blut wie vieler edlen Polen,
Die an dir dahingesunken!
An dein Ufer wankt Dembinski,
Auf der Brust die Sterbewunde;
Trauernd um den Feldherrn drängen
Sich die Krieger in der Runde.
»Legt mich nieder! Nicht erreich′ ich
Mehr den Jenseitstrand, ihr Lieben;
Doch das eine laßt mich wissen,
Ob er unser noch geblieben!«
Und dem Winke folgen drei;
An den Fluß dahingetreten,
Blasen sie das Lied der Polen
Auf den rostigen Drommeten.
Stille dann, und alle lauschen,
Lauschen bang, – zu ihren Ohren,
Horch! von drüben schallt es da:
»Noch ist Polen nicht verloren!«
Freudeweinend liegen alle
Sich in Armen fest umschlungen;
Aufgerichtet steht der Feldherr,
Bis das teure Lied verklungen.
Dann zur Erde sinkt er nieder:
»O, nun mag mein Herzblut fließen!
Nun ich diesen Klang vernommen,
Will ich gern die Augen schließen.«
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Dembinski“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine ergreifende Ballade, die von der Sterbeszene des polnischen Generals Dembinski und der Sehnsucht nach der Unabhängigkeit Polens erzählt. Der blaue Niemen, der Fluss, wird als stummer Zeuge der blutigen Kämpfe und des Leids der polnischen Nation personifiziert, was die Tragweite der Ereignisse unterstreicht. Die ersten Verse etablieren sofort eine düstere Atmosphäre, indem sie die immense Menge an Blut hervorheben, die der Fluss bereits aufgenommen hat, ein Symbol für die unzähligen Opfer im Kampf für die Freiheit.
Inmitten dieser Szenerie liegt Dembinski, verwundet und dem Tode nahe, am Ufer des Flusses. Sein größtes Anliegen ist nicht sein eigenes Schicksal, sondern die Gewissheit, ob die Hoffnung auf ein freies Polen noch besteht. Diese Szene verdeutlicht die patriotische Gesinnung des Generals und seiner Soldaten, deren Leben von dem Wunsch nach nationaler Unabhängigkeit bestimmt wird. Die Trauer und Sorge der Krieger, die sich um ihren Feldherrn scharen, zeigen die enge Verbundenheit und das gemeinsame Leid, das sie teilen.
Die Antwort auf Dembinski’s Frage wird durch ein Lied der polnischen Nation gegeben, das von den Trompeten über den Fluss erschallt, ein Zeichen für die Hoffnung und den unsterblichen Geist des Volkes. Der Vers „Noch ist Polen nicht verloren!“ dient als Höhepunkt und bezeugt die unerschütterliche Entschlossenheit der Polen, ihren Kampf fortzusetzen. Die Reaktion der Soldaten, die sich weinend in den Armen liegen, unterstreicht die immense Erleichterung und Freude über diese Botschaft. Dembinski, der die Gewissheit erhält, die er brauchte, kann nun in Frieden sterben, sein Herz erfüllt von dem Glauben an die Zukunft seines Landes.
Schacks Gedicht ist ein eindrucksvolles Beispiel für romantische Dichtung, die von Patriotismus und dem Kampf um Freiheit geprägt ist. Die Verwendung einfacher, doch wirkungsvoller Sprache, kombiniert mit den Bildern von Blut, Leid und Hoffnung, erzeugt eine tief emotionale Wirkung beim Leser. Die Ballade zelebriert den Patriotismus, die Opferbereitschaft und den unerschütterlichen Glauben an die eigene Nation, Themen, die auch heute noch von großer Relevanz sind. Es ist ein Denkmal für den Freiheitswillen und die Sehnsucht nach Unabhängigkeit.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.