Davoser Bar
Die rosa Sängerin mit jenem Juden,
Der achtungsheischend ein Monokel trägt,
Fühlt sich vom Lärm der laubenbunten Buden
Ersichtlich auf- und ab- und angeregt.
Er dreht mit ihr sich rund im Karusselle,
Er lüftet ihr den gelbpunktierten Sekt,
Indem die oberitalienische Kapelle
Sich selbst und andre mit Musik befleckt.
Ein Herr tanzt exaltiert wie ein Tuberkel,
Des Frackes Schöße zwitschern vogelgleich.
Die rosa Sängerin hält fürstlich Cercle.
Ein Oberleutnant pokert schreckensbleich.
Ein Jüngling träumt von einer fernsten Ferne.
Aus seiner ausgeschnittnen Weste stiert
Die Höhlung einer riesigen Kaverne,
In der die Nacht wie eine Palme friert.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Davoser Bar“ von Klabund ist eine Momentaufnahme des mondänen Treibens in einer Bar in Davos. Die Verse zeichnen ein lebendiges Bild der Dekadenz und der Sinnlichkeit, die in dieser Umgebung vorherrschen. Die beschriebenen Figuren, die Atmosphäre und die verwendeten Bilder lassen eine gewisse Melancholie und eine Ahnung des Vergänglichen anklingen.
In der ersten Strophe werden die Protagonisten vorgestellt: eine „rosa Sängerin“ und ein „Juden“ mit Monokel. Diese Figuren, die in ihrer Andersartigkeit und ihrem Reichtum hervorstechen, scheinen den bunten Lärm der Bar als aufregend zu empfinden. Das „Karusselle“ in der zweiten Strophe, in dem sie sich drehen, symbolisiert die Unbeständigkeit und das Kreisen in einem Rausch der Vergnügungen. Die Musik der „oberitalienischen Kapelle“ belegt dabei die kosmopolitische und exzessive Atmosphäre, in der sich alles vermischt und überlagert. Die Verwendung von Begriffen wie „befleckt“ deutet auf eine gewisse Zerstörung und den Zerfall der Ideale hin.
Die dritte Strophe fügt weitere Figuren und Details hinzu. Ein „Herr“ tanzt „exaltiert wie ein Tuberkel“, was eine morbide Note einbringt und die Dekadenz der Szene unterstreicht. Die „rosa Sängerin“ führt einen „fürstlichen Cercle“, während ein „Oberleutnant“ „schreckensbleich“ pokert. Diese Elemente erzeugen ein Gefühl von Obsession und innerer Unruhe, das unter der Oberfläche des Vergnügens schwelt. Die Worte legen nahe, dass sich das dekadente Verhalten als ein Versteck vor tiefer liegenden Ängsten und Unsicherheiten dient.
Die letzte Strophe lenkt den Blick auf einen „Jüngling“, der von einer „fernsten Ferne“ träumt. Aus seiner „ausgeschnittnen Weste“ stiert die „Höhlung einer riesigen Kaverne“, in der die „Nacht wie eine Palme friert“. Diese Metapher, die die Leere und die Kälte des Todes assoziiert, verleiht dem Gedicht eine melancholische und fast schon apokalyptische Note. Sie lässt erahnen, dass all das Vergnügen nur eine kurzlebige Ablenkung von der Unausweichlichkeit des Verfalls und des Todes ist, die in der verschneiten Landschaft von Davos allgegenwärtig präsent ist.
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Lizenz und Verwendung
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