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Das Sperlingspaar

Von

Ein Spätzchen hing mit treuer Liebe
An einem schönen braunen Spatz;
Er hegte gleiche süße Triebe
Und wählt‘ es aus zu seinem Schatz.
Flog täglich hin zu seiner Trauten,
Bis sie sich ihm zu eigen gab;
Doch als sie noch ihr Nest sich bauten,
Da nahm bei ihm die Lieb‘ schon ab.

Er fliegt allein von Baum zu Baume,
Er flattert lustig weit und breit.
Betrübt ob dem entschwund’nen Traume,
Härmt sie sich still in Einsamkeit.
Statt daß ihn ihre Thränen rühren,
Er nur noch häuf’ger sie verläßt,
Und kehrt, da Andre ihn verführen,
Nur selten noch in’s Ehenest.

Einst aber, als er nach drei Tagen,
Den Flug zurück nach Haus gewandt,
War er erstaunt, wie nicht zu sagen,
Als er daselbst Gesellschaft fand.
Es waren Freunde hergekommen,
Mit denen er noch nie verkehrt;
Sie waren freundlich aufgenommen
Und schienen seiner Frau sehr werth.

Der lockre Zeisig, der Zaunkönig,
Der Wachtelmann thut schön mit ihr,
Der Gimpel schmeichelt ihr nicht wenig,
Der Sprosser pfeift ihr etwas für.
Die Spätzin höret mit Entzücken
Des Finken fröhlichen Gesang,
Auch sieht sie mit vertrauten Blicken
Den Dompfaff an. – Dem Spatz ward bang.

Er sah wie Alle ihr hofirten,
Sie nahm die Huldigungen an
Als ob sie ihr mit Recht gebührten. –
Ei, wie verdroß das ihren Mann.
Und doch war sie nicht pflichtvergessen,
War ehrbar und verletzte nie
Die ihm gelobte Treu‘. Indessen
Etwas Gefallsucht hatte sie.

Sie wollte ja nur lachen, scherzen,
Und mit den Frohen fröhlich sein,
Denn noch nahm ja in ihrem Herzen,
Der Treulose sein Plätzchen ein.
Durch ihre Rechtlichkeit bewahret,
Ward ihm nicht der verdiente Lohn –
Es ward ihm jede Schmach ersparet,
Und er kam mit der Angst davon.

Dies wußt‘ er nicht – drum rief mit Wüthen
Sein Weib er einst, um künftig sich
Die Hausfreunde fein zu verbieten,
Er schalt und tobte fürchterlich,
Flog um sie her in engen Kreisen
Und schwur, den kecken Vogel gleich
Mit seinem Schnabel zu zerreißen,
Der’s wagen sollte, sein Bereich…..

»Allein plagt mich die Langeweile«,
Fiel ihm die Spätzin in das Wort:
»Bleib du zu Haus bei mir und theile
Mein Loos, ich jag‘ die Andern fort.
Kehrst du zu deinen Pflichten wieder,
Dann wird auch unsre Eh‘ gedeih’n,
Und singest du mir deine Lieder,
Dann mag der Fink sich heiser schrei’n.

Soll sich des Hauses Glück bewähren,
So einige man Herz und Sinn. –
Um mein Betragen zu erklären,
Gereichen wenig Worte hin.
Ich lebe jetzt als Sperlingsweibchen,
Doch willst du wie der Tauber sein
Ei nun, so werd‘ ich gleich zum Täubchen,
Und will mein ganzes Herz dir weih’n.«

Der Spatz nahm sich die Lehr‘ zu Herzen
Und bat um Gnade. In dem Nest
Fand er sein Glück bei Lust und Schmerzen,
Denn er hält an der Pflicht jetzt fest.
An Seelenwerth sich ebenbürtig,
Schätzt er das Weib, das er erkor. –
Der Spatz ward wieder liebenswürdig,
Die Spätzin liebt ihn wie zuvor.

Ihr Herrn, als Beispiel anzuführen,
Das Sperlingsmännchen, wag‘ ich nicht.
Es wird den Sinn euch schwerlich rühren,
Wenn ihr gewichen von der Pflicht.
Wird einer von euch je es wagen,
Wie er zu thun? … Laut frag‘ ich an:
»Wer hat den Muth sich zu betragen,
Wie es der brave Spatz gethan?«

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Das Sperlingspaar von Kathinka Zitz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Sperlingspaar“ von Kathinka Zitz ist eine humorvolle und doch lehrreiche Verserzählung, die in einer allegorischen Weise menschliche Beziehungen und Moralvorstellungen am Beispiel eines Spatzenpaares verhandelt. Das Gedicht beginnt mit einer Liebesgeschichte, in der sich zwei Spatzen ineinander verlieben und ein Nest bauen. Doch die anfängliche Leidenschaft des Spatzenmannes verfliegt schnell, und er sucht das Abenteuer außerhalb des Nestes.

Die zweite Strophe zeigt die Spätzin in ihrer Einsamkeit, während der Spatz sich in der Welt vergnügt. Als er nach einer Weile zum Nest zurückkehrt, findet er es jedoch belebt von anderen Vögeln, die die Spätzin umwerben. Dies erzeugt beim Spatzenmann Eifersucht und Ärger, doch die Spätzin bleibt ihrer Pflicht treu, indem sie ihre neue Popularität als reine Ablenkung betrachtet und ihrem Mann keine Untreue widerfährt.

In der Folge kommt es zu einer Konfrontation, in der der Spatz seine Frau wegen ihres Verhaltens zur Rede stellt und droht, die anderen Vögel zu vertreiben. Die Spätzin reagiert jedoch mit Einsicht und bietet ihm eine Lösung an, indem sie ihn auffordert, sich zu ändern und zu seinen Pflichten zurückzukehren. Sie erklärt ihre Bereitschaft, sich an seine Bedürfnisse anzupassen, wenn er sich wieder um sie bemüht.

Am Ende des Gedichts zeigt sich die Wandlung des Spatzenmannes, der seine Fehler erkennt und um Verzeihung bittet. Er kehrt zu einem tugendhaften Verhalten zurück, schätzt seine Frau und findet so das Glück im Nest wieder. Die Autorin schließt mit einem Appell an die Leser, das Verhalten des Spatzen zu übernehmen und ihre eigenen Verantwortungen und Tugenden zu hinterfragen. Das Gedicht verdeutlicht die Wichtigkeit von Treue, Respekt, gegenseitiger Wertschätzung und der Bereitschaft zur Veränderung in einer Beziehung, um das gemeinsame Glück zu bewahren.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.