Das Paradies
Sein Glück für einen Apfel geben,
O Adam, welche Lüsternheit!
Statt diener hätt ich sollen leben,
So wär das Paradies noch heut.-
Wie aber, wenn alsdann die Traube
Die Probefrucht gewesen wäre?
Wie da, mein Freund? – Ei nun, ich glaube –
Das Paradies wär auch nicht mehr.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das Paradies“ von Gotthold Ephraim Lessing ist eine pointierte Auseinandersetzung mit dem Sündenfall und der menschlichen Natur, verpackt in eine scheinbar leichte, humorvolle Form. Es hinterfragt spielerisch die Vorstellung von Ursünde und Paradies, indem es die Perspektive wechselt und alternative Szenarien entwirft, die das Schicksal der Menschheit hätten beeinflussen können. Der Autor nutzt dabei eine einfache, fast schon umgangssprachliche Sprache, um die philosophischen Fragen zugänglich zu machen.
Der erste Teil des Gedichts greift die bekannte Geschichte des Sündenfalls auf. Der Ich-Erzähler, der sich in die Rolle Adams versetzt, äußert zunächst seine Verwunderung über Adams Tat, sein Glück für einen einzigen Apfel zu opfern. Dieser Kommentar ist als eine Kritik an der menschlichen Gier und der scheinbaren Unbedachtheit des Adam zu verstehen. Indem der Erzähler seine eigene Reaktion hypothetisch vergleicht, etabliert er einen Kontrapunkt zur traditionellen Interpretation des Sündenfalls. Er deutet an, dass er möglicherweise anders gehandelt hätte, was die Unvermeidlichkeit des Falls in Frage stellt.
Der zweite Teil des Gedichts nimmt eine überraschende Wendung. Lessing spekuliert über die Möglichkeit, dass die verbotene Frucht eine Traube gewesen wäre. Diese scheinbar triviale Frage ist jedoch der Kern der humorvollen Pointe und der eigentlichen philosophischen Aussage. Die Antwort, dass das Paradies auch in diesem Fall verloren gegangen wäre, deutet auf eine tiefere Wahrheit hin: Das Paradies ist nicht durch die Frucht selbst verloren gegangen, sondern durch die menschliche Natur, durch die inhärente Neigung zum Verlangen, zur Neugier und zur Übertretung von Grenzen.
Lessing nutzt die scheinbare Leichtigkeit der Sprache und die spielerische Auseinandersetzung mit dem biblischen Mythos, um eine tiefgründige philosophische Botschaft zu vermitteln. Das Gedicht hinterfragt die Vorstellung von Schuld und Sühne und legt nahe, dass das Scheitern des Menschen im Paradies nicht auf eine bestimmte Handlung, sondern auf seine grundlegenden Eigenschaften zurückzuführen ist. Die Pointe, dass das Paradies unter anderen Umständen ebenso verloren gegangen wäre, entlarvt die vermeintliche Einfachheit des Sündenfalls und lenkt den Blick auf die komplexe Natur des Menschen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.