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Das nächtliche Hornblasen

Von

Allnächtlich bläst ein Hirt im Ort
Als trieb er die Kühe zur Weide fort;
Doch keiner hat ihn je gesehn,
Man hört den Klang im Winde verwehn, in Meereslüften.
Doch in den Ställen hie und da
Brüllt Stier und Kuh, so fern wie nah,
Die Pferde wiehern, als fühlten sie Drang
Zu folgen dem lockenden Weideklang des Wunderhorns.

Man sagt, daß es des Meeresmanns sei,
Der rufe für sich die Herde herbei. –
Man hörte vor Jahren den gleichen Klang,
Eh Büsums Kühe das Meer verschlang,das ungestüme.

Es sprang am Morgen hoch herauf,
Und umrann sie in wildem Wellenlauf;
Der Hirt, er konnte sich retten kaum,
Und was er erzählte, erschien ein Traum vom Mann im Meere.

Drum meidet ihr Hirten all den Strand,
Treibt weiter hinein ins grüne Land,
Am Bache hinauf zum lustigen Wald,
Wo das wirre Meeresgeräusch verhallt, wo die Vögel singen.

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Gedicht: Das nächtliche Hornblasen von August Kopisch

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das nächtliche Hornblasen“ von August Kopisch entwirft eine mysteriöse und unheimliche Szenerie, die von der Sehnsucht und dem Verlust einer untergegangenen Welt geprägt ist. Das Gedicht erzählt von einem nächtlichen Hornbläser, dessen Klänge durch den Wind getragen werden, ohne dass er je gesehen wird. Diese geheimnisvolle Präsenz erzeugt bei den Tieren im Dorf Unruhe und das Gefühl, einem Ruf folgen zu müssen, der aus der Ferne kommt.

Die zentrale Metapher des Gedichts ist die Verbindung zwischen dem Hornblasen und dem Meer, das durch eine alte Sage zum Leben erweckt wird. Die Verse erzählen von der Versenkung von Büsums Kühen durch das Meer, was als Mahnung für die Lebenden dient. Das Hornblasen wird hier mit dem Ruf des Meeresmanns assoziiert, der seine Herde zurückrufen möchte. Diese Verbindung zwischen dem Klang, dem Meer und der Erinnerung an den Verlust verleiht dem Gedicht eine melancholische Note und weckt beim Leser ein Gefühl der Trauer um eine verlorene Vergangenheit. Die wiederholten Erwähnungen von Kühen und der Weide im Gegensatz zum Meer betonen diese dualistische Spannung.

Der dritte Abschnitt des Gedichts verstärkt die dramatische Stimmung, indem er die Geschichte des Hirten erzählt, der dem Wellenlauf entkam. Diese Passage unterstreicht die Gefahr und das Verhängnis, das mit dem Meer verbunden ist, und die unvorhersehbare Macht der Naturgewalten. Die „wilde Wellenlauf“ und die kaum gerettete Flucht des Hirten lassen das Gedicht lebendig werden und erzeugen eine Atmosphäre der Spannung und des Schreckens. Die Auflösung des Gedichts mit der Einschränkung des Hirten, sich vom Strand fernzuhalten, verdeutlicht die Warnung vor den Verlockungen des Meeres und bekräftigt die moralische Bedeutung des Gedichts.

In seiner Gesamtheit ist „Das nächtliche Hornblasen“ ein Gedicht, das Themen wie Verlust, Erinnerung und die Macht der Natur in einer eindringlichen Weise behandelt. Durch die Verwendung von mysteriösen Bildern und einer packenden Erzählung schafft Kopisch eine beunruhigende, aber faszinierende Atmosphäre. Die letzten Verse, die zur Flucht in das sichere Binnenland mahnen, unterstreichen die Warnung des Gedichts vor den Gefahren des Meeres und die Bedeutung, sich von den dunklen und verlockenden Kräften der Vergangenheit fernzuhalten.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.