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Das Marmorbild

Von

Wenn beim Frühglanz des Hymett
Morgens auf mein Ruhebett
Sanft die Strahlen zittern,
Immer lächelst, teures Bild,
Du auf mich herab so mild
Aus den Epheugittern.

Deine Züge, hold und traut,
Ach! daß ich sie doch geschaut,
Als sie lebend waren,
In die Augen dir geblickt,
Eh′ sie in den Schlaf genickt
Von zweitausend Jahren!

Dann in Delphis Waldesschlucht –
Ueber uns die Purpurfrucht
Der Granate leuchtend –
Hätten wir am Quell geruht,
Mit Apollons heil′ger Flut
Unsre Lippen feuchtend.

Schauten von den Propylä′n,
Wie die Tempel von Athen
Felshinan sich bauten
Und aus segelvollem Meer
Vom Piräus ferneher
All die Inseln blauten.

Schweiften den Kephiß entlang,
Wo der Nachtigall Gesang
Nie im Walde stockte
Und auf grünem Wiesenplan
Flötenhauch der alte Pan
Aus der Syrinx lockte.

Nächtlich in Kolonos′ Hain
Lauschten wir dem Jubelreihn,
Wie die Zimbel schallte
Und der Tanz von Nymph′ und Faun
Durch die rebenvollen Aun
Labyrinthisch wallte;

Und der Chiertraube Trank
Schlürften wir im Laubgerank,
Ueberweht von Blüten,
Während bei der Leier Ton
Und Alcäus′ Skolion
Unsre Küsse glühten.

Doch was träum′ ich?
Ach, nur Gram
Bleibt mir, daß zu spät ich kam
Zu des Lebens Feste,
Und, o Weib, verweht vom Wind
Seit zweitausend Jahren sind
Deine Aschenreste.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Das Marmorbild von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Marmorbild“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine melancholische Betrachtung über verlorene Liebe und die Sehnsucht nach einer vergangenen, idealisierten Zeit. Das lyrische Ich betrachtet ein Marmorbild einer geliebten Frau und träumt von einer gemeinsamen, glücklichen Vergangenheit, die durch die Zeit getrennt wurde. Die Verwendung des Imperfekts im Konjunktiv („hätten wir geruht“, „schauten“, „schweiften“) betont die Unmöglichkeit dieser Träume und die daraus resultierende Trauer.

Der erste Teil des Gedichts beschreibt die Gegenwart: Das lyrische Ich betrachtet das Bild im Morgengrauen und erinnert sich an die Schönheit der Frau. Der Fokus liegt auf den „holden und trauten Zügen“, die das Ich sehnsüchtig betrachtet, weil diese Züge nun Teil der Vergangenheit sind, da die Frau bereits seit „zweitausend Jahren“ tot ist. Dies ist ein Hinweis auf die Vergänglichkeit des Lebens und die Unmöglichkeit, die Vergangenheit wiederzuerleben.

Der zweite Teil des Gedichts ist eine detaillierte Beschreibung einer idealisierten Vergangenheit, die in der griechischen Antike verortet ist. Das lyrische Ich malt eine idyllische Szene, in der es mit der geliebten Frau durch malerische Landschaften wandert, die Musik der Natur genießt und an Festen teilnimmt. Dabei werden zahlreiche Motive der griechischen Mythologie und Kultur aufgegriffen: Apollon, die Propyläen, der Kephiß, Pan, Nymphen, Faune und Alcäus. Diese Bilder dienen dazu, eine Welt von Schönheit, Harmonie und Liebe zu beschwören, in der das lyrische Ich und die geliebte Frau glücklich vereint wären.

Der letzte Teil des Gedichts stellt die bittere Erkenntnis dar, dass all diese Träume unerreichbar sind. Die Frage „Doch was träum‘ ich?“ unterstreicht die Vergeblichkeit der Sehnsucht und die Unmöglichkeit, die verlorene Liebe zurückzugewinnen. Die Zeile „Ach, nur Gram / Bleibt mir“ fasst die zentrale Emotion des Gedichts zusammen: die Trauer über den Verlust und die Erkenntnis, dass die Zeit unaufhaltsam vergeht. Das Bild der „Aschenreste“ verstärkt die Endgültigkeit des Todes und der Vergänglichkeit des Lebens. Das Gedicht ist somit eine elegische Reflexion über Liebe, Verlust und die Macht der Erinnerung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.