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Das Haus in der Heide

Von

Wie lauscht, vom Abendschein umzuckt,
die strohgedeckte Hütte,
recht wie im Nest der Vogel duckt,
aus dunkler Föhren Mitte.

Am Fensterloche streckt das Haupt
die weißgestirnte Sterke,
bläst in den Abendduft und schnaubt
und stößt ans Holzgewerke.

Seitab ein Gärtchen, dornumhegt,
mit reinlichem Gelände,
wo matt ihr Haupt die Glocke trägt,
aufrecht die Sonnenwende.

Und drinnen kniet ein stilles Kind,
das scheint den Grund zu jäten,
nun pflückt sie eine Lilie lind
und wandelt längs den Beeten.

Am Horizonte Hirten, die
im Heidekraut sich strecken
und mit des Aves Melodie
träumende Lüfte wecken.

Und von der Tenne ab und an
schallt es wie Hammerschläge,
der Hobel rauscht, es fällt der Span,
und langsam knarrt die Säge.

Da hebt der Abendstern gemach
sich aus den Föhrenzweigen,
und grade ob der Hütte Dach
scheint er sich mild zu neigen.

Es ist ein Bild, wie still und heiß
es alte Meister hegten,
kunstvolle Mönche, und mit Fleiß
es auf den Goldgrund legten:

Der Zimmermann – die Hirten gleich
mit ihrem frommen Liede,
die Jungfrau mit dem Lilienzweig,
und rings der Gottesfriede.

Des Sternes wunderlich Geleucht
aus zarten Wolkenfloren –
Ist etwa hier im Stall vielleicht
Christkindlein heut geboren?

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Das Haus in der Heide von Annette von Droste-Hülshoff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Haus in der Heide“ von Annette von Droste-Hülshoff beschreibt eine idyllische Abendlandschaft, in der eine bescheidene Hütte im Zentrum steht. Die Dichterin malt ein Bild der Ruhe und des Friedens, indem sie Elemente der Natur und des menschlichen Lebens harmonisch miteinander verbindet. Die Beschreibung beginnt mit der Beobachtung der Hütte, die „wie im Nest der Vogel duckt“, was ein Gefühl von Geborgenheit und Schutz vermittelt. Die detaillierte Beschreibung der Umgebung, von der „weißgestirnten Sterke“ bis zum dornenumhegten Gärtchen, vertieft dieses Gefühl und erzeugt eine Atmosphäre der Stille und Kontemplation.

Die Verwendung von Bildern, die an die christliche Ikonographie erinnern, wie das „stille Kind“, das eine Lilie pflückt, und die „Hirten“, die im Heidekraut liegen, deutet auf eine tiefere spirituelle Dimension des Gedichts hin. Droste-Hülshoff webt Elemente der Natur und des menschlichen Lebens in eine Szene, die an die Geburt Christi erinnert. Der Abendstern, der sich „grade ob der Hütte Dach“ neigt, verstärkt diesen Eindruck und verleiht der Szene eine himmlische Qualität. Die Handwerker, deren Geräusche von der Tenne kommen, fügen dem Bild eine weitere Ebene hinzu, die die alltägliche Arbeit und das bäuerliche Leben in die Komposition einbezieht.

Die zentrale Frage des Gedichts, ob in dem Haus das Christkind geboren wurde, hebt die religiöse und symbolische Bedeutung hervor. Die Autorin vergleicht das Bild mit den Werken alter Meister, die mit „Fleiß“ und „Kunst“ goldene Hintergründe verwendeten. Der Vergleich unterstreicht die poetische Absicht, eine friedvolle, fast heilige Szene zu schaffen. Das Gedicht ist somit mehr als nur eine Beschreibung der Landschaft; es ist eine Meditation über Frieden, Glauben und die Möglichkeit des Göttlichen im Alltäglichen.

Der Kontrast zwischen der Ruhe und Stille der Natur und den handwerklichen Geräuschen suggeriert eine Harmonie zwischen dem irdischen und dem himmlischen Reich. Droste-Hülshoff schafft eine Atmosphäre, die sowohl besinnlich als auch hoffnungsvoll ist. Die Bilder der Lilie, des Sterns und der Hirten sind nicht nur dekorativ, sondern tragen wesentlich zur Schaffung einer Atmosphäre bei, die sowohl die Schönheit der Natur als auch die tiefe Religiosität der Autorin widerspiegelt. Das Gedicht kann als eine Reflexion über die Präsenz des Göttlichen im Alltäglichen gelesen werden.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.