Das Burschentum
Wenn die Becher fröhlich kreisen,
Wenn in vollen Sangesweisen
Tönt so manches Helden Ruhm,
Ja, da muß man dich auch singen,
Muß auch dir die Becher schwingen,
Dir, du altes Burschentum!
Fragt ihr, wo die Freiheit wohne?
Auf Europas weiter Zone
Habt ihr nimmer sie gesehn;
Nur bei alter treuer Sitte,
In der Burschen froher Mitte
Mag ihr Tempel noch bestehn.
Froh und frei, wie′s unsre Alten
Einst zu ihrer Zeit gehalten,
Leben wir, so lang es gilt;
Freuen uns – mit leerer Tasche,
Wenn uns nur aus voller Flasche
Klar der braune Nektar quillt.
Nicht in marmornen Trophäen
Kann die späte Nachwelt sehen,
Was wir Brüder hier getan;
Doch zum Denkstein unsern Siegen
Häufen wir aus leeren Krügen
Hohe Pyramiden an.
Mit dem Humpen in der Linken
Wollen wir dein Wohlsein trinken,
Altes, frohes Burschentum:
Mit dem Hieber in der Rechten
Wollen wir dich kühn verfechten,
Freies, tapfres Burschentum!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das Burschentum“ von Wilhelm Hauff feiert die Lebensweise und die Werte der studentischen Burschenschaften des 19. Jahrhunderts. Es zeichnet ein Bild von Freiheit, Geselligkeit und dem unerschütterlichen Zusammenhalt der Studenten. Das Gedicht ist in Reimform verfasst und verwendet eine einfache, direkte Sprache, die den Geist der studentischen Lieder und Trinkgelage widerspiegelt. Die Betonung liegt auf dem kameradschaftlichen Miteinander und der Ablehnung von gesellschaftlichen Konventionen, was die Burschenschaften zu einer wichtigen sozialen und politischen Kraft ihrer Zeit machte.
Im ersten Abschnitt wird das Burschentum direkt angeredet und als Gegenstand des Lobes und der Ehrung etabliert. Die „fröhlichen Becher“ und die „vollen Sangesweisen“ weisen auf die Trinkkultur und die Liedertradition hin, die einen zentralen Bestandteil des studentischen Lebens darstellten. Der zweite Abschnitt kontrastiert die „Freiheit“ des Burschentums mit der Abwesenheit dieser Freiheit in der „weiten Zone Europas“. Dies impliziert eine Kritik an den politischen Zuständen und der fehlenden Meinungsfreiheit zu Hauffs Zeit. Die „alte treue Sitte“ und die „frohe Mitte“ der Burschen werden als der Ort dargestellt, an dem die Freiheit noch erhalten ist.
Der dritte Abschnitt beschreibt die Lebensweise der Burschen als eine freie und unbeschwerte, die sich an den Werten ihrer Vorfahren orientiert. Trotz finanzieller Knappheit, erkennbar an der „leeren Tasche“, wird die Freude am Zusammensein und am Genuss des „braunen Nektars“ (Bier) betont. Dies unterstreicht die Wertschätzung von Genuss, Geselligkeit und dem Hier und Jetzt, die für die Burschenschaften charakteristisch waren. Die vierte Strophe nimmt die Vergänglichkeit des studentischen Lebens auf. Die Burschen legen keinen Wert auf materielle Denkmäler, sondern errichten „Pyramiden“ aus leeren Krügen – ein humorvoller Ausdruck für die ephemere Natur ihrer Feiern und die Bedeutung des Augenblicks.
Die letzte Strophe ist ein leidenschaftlicher Appell an das Burschentum. Mit dem „Humpen in der Linken“ und dem „Hieber in der Rechten“ wird die doppelte Natur der Burschenbewegung als Genusskultur und als kämpferische Kraft deutlich. Das Gedicht endet mit einem Bekenntnis zur Treue zum Burschentum, indem es die Freiheit und Tapferkeit der Burschen preist. Das Gedicht ist somit nicht nur eine Feier des studentischen Lebens, sondern auch ein Bekenntnis zu den Idealen von Freiheit, Freundschaft und dem Mut, für diese Werte einzutreten.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.