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Botschaft

Von

Du sollst wieder fühlen, daß alle stark und jungen Kräfte dich umschweifen,

Daß nichts stille steht, daß Gold des Himmels um dich kreist und Sterne dich umwehn,

Daß Sonne und Abend niederfällt und Winde über blaue Meeressteppen gehn,

Du sollst durch Sturz und Bruch der Wolken wilder in die hellgestürmten Himmel greifen.

Meintest du, die sanften Hafenlichter könnten deine Segel halten,

Die sich blähen wie junge Brüste, ungebärdig drängend unter dünner LinnenHut?

Horch, im Dunkel, geisterhafte Liebesstimme, strömt und lallt dein Blut –

Und du wolltest deine Hände müde zur Ergebung falten?

Fühle: Licht und Regen deines Traumes sind zergangen,

Welt ist aufgerissen, Abgrund zieht und Himmelsbläue loht,

Sturm ist los und weht dein Herz in schmelzendes Umfangen,

Bis es grenzenlos zusammensinkt im Schrei von Lust und Glück und Tod.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Botschaft von Ernst Stadler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Botschaft“ von Ernst Stadler ist ein Appell an das Leben und die Erfahrung von Vitalität und Intensität. Es ist eine Aufforderung, sich von der Passivität zu lösen und sich dem stürmischen, oft auch schmerzhaften, aber letztlich erfüllenden Kreislauf des Lebens hinzugeben. Der Autor spricht hier eine innere Stimme an, vermutlich sich selbst, um eine Wiederentdeckung der ursprünglichen Lebenskräfte zu initiieren. Das Gedicht ist ein Plädoyer für das Erleben von Extremen, von Ekstase und Untergang, von Freude und Schmerz, als essenzielle Bestandteile der menschlichen Erfahrung.

Die ersten vier Zeilen beschreiben eine Welt voller Dynamik und Bewegung. Der „Gold des Himmels“ und die „Sterne“ umwehen den Leser, die Sonne und der Abend fallen nieder, Winde ziehen über das Meer. Stadler verwendet kraftvolle Bilder und Metaphern, um die Fülle und Unbändigkeit des Lebens zu vermitteln. Die Zeilen fordern dazu auf, aktiv in dieses Geschehen einzugreifen und sich nicht zu verstecken. Der „Sturz und Bruch der Wolken“ wird zum Synonym für Herausforderungen und Krisen, die es zu umarmen gilt.

Die zweite Strophe hinterfragt die vermeintliche Sicherheit sanfter „Hafenlichter“, die wie die Anziehungskraft nach Ruhe und Geborgenheit wirken. Diese Ruhe wird kritisch betrachtet, da sie die Energie und das ungestüme Verlangen nach Erfahrung zu ersticken droht. Die Zeilen deuten auf die Gefahr der Selbstaufgabe und des Verzichtes auf die eigene Lebendigkeit hin. Das „Dunkel“ und die „geisterhafte Liebesstimme“ repräsentieren die innere Stimme der Sehnsucht, des Verlangens und des Instinkts, die gegen die Enge und die Passivität aufbegehrt.

In den letzten vier Zeilen gipfelt die Botschaft in einer ekstatischen Vision des Lebens. Das „Licht und Regen“ des Traumes, also die Illusionen und die Wunschvorstellungen, sind „zergangen“. Die Welt öffnet sich in ihrer ganzen Pracht und ihrem ganzen Schrecken: „Abgrund zieht und Himmelsbläue loht“. Das Herz wird vom „Sturm“ erfasst und in ein „schmelzendes Umfangen“ getrieben. Der Höhepunkt ist ein grenzenloses Verschmelzen von Lust, Glück und Tod – eine untrennbare Einheit, die die menschliche Existenz ausmacht. Das Gedicht gipfelt in einem Triumph des Lebens, der die Gegensätze vereint und die radikale Akzeptanz der menschlichen Erfahrung feiert.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.