Beruhigt
Zwei mal zwei gleich vier ist Wahrheit.
Schade, daß sie leicht und leer ist,
Denn ich wollte lieber Klarheit
Über das, was voll und schwer ist.
Emsig sucht ich aufzufinden,
Was im tiefsten Grunde wurzelt,
Lief umher nach allen Winden
Und bin oft dabei gepurzelt.
Endlich baut ich eine Hütte.
Still nun zwischen ihren Wänden
Sitz ich in der Welten Mitte,
Unbekümmert um die Enden.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Beruhigt“ von Wilhelm Busch ist eine Reflexion über die Suche nach Sinn und die letztendliche Erkenntnis, dass wahre Antworten möglicherweise unerreichbar sind. Es beginnt mit einem scheinbar simplen Satz: „Zwei mal zwei gleich vier ist Wahrheit.“ Diese Aussage, die als Inbegriff der mathematischen Gewissheit steht, wird jedoch sofort relativiert. Busch erkennt, dass diese Wahrheit „leicht und leer“ ist, was auf eine gewisse Unbefriedigtheit und das Streben nach etwas Tiefgründigerem hindeutet. Der Dichter wünscht sich „Klarheit“ über das, was „voll und schwer ist“ – also über die großen Fragen des Lebens, die das Herz und den Geist beschäftigen.
Der zweite Abschnitt beschreibt die aktive Suche des lyrischen Ichs nach eben dieser Klarheit. Busch verwendet dynamische Verben wie „sucht“ und „lief“, um die Rastlosigkeit und das Engagement des Sprechers zu verdeutlichen. Er „sucht … aufzufinden, was im tiefsten Grunde wurzelt“ und „läuft umher nach allen Winden“. Diese Metaphern deuten auf eine umfassende, unermüdliche Suche hin, die von Enttäuschungen und Rückschlägen geprägt ist, wie das „Purzeln“ beweist. Der Dichter hat sich mit der Welt auseinandergesetzt, ist aber letztendlich am Ziel gescheitert. Die Suche war also anstrengend, aber nicht erfolgreich.
Im dritten Abschnitt findet eine deutliche Veränderung statt. Das lyrische Ich zieht sich in eine „Hütte“ zurück, die als Symbol für Rückzug und Ruhe verstanden werden kann. Hier, in dieser Abgeschiedenheit, „sitzt“ er nun „in der Welten Mitte, unbekümmert um die Enden.“ Die Welt hat sich verändert, er ist ruhig geworden. Die anfängliche Rastlosigkeit weicht der Gelassenheit und dem Rückzug von der aktiven Suche. Er hat Frieden gefunden, nicht in der Ergründung der „schweren“ Fragen, sondern in der Akzeptanz ihrer Unergründlichkeit.
Busch präsentiert in diesem Gedicht eine Art von resignierter Weisheit. Die anfängliche Unzufriedenheit mit den simplen Wahrheiten der Welt wandelt sich in eine Akzeptanz der eigenen Begrenztheit und der Unvermeidlichkeit des Ungewissen. Das Gedicht zeichnet ein Bild von einem Dichter, der die Welt erkundet hat, gescheitert ist, aber dann durch den Rückzug in eine innere Ruhe Trost gefunden hat. Der Titel „Beruhigt“ spiegelt diesen Zustand der inneren Gelassenheit wider, der durch die Aufgabe der Suche nach umfassender Klarheit erreicht wurde.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.