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Berliner in Italien

Von

Die ganze Welt ist voll von Berlinern.
Deutschland, Deutschland überall in der Welt.
Ich sah sie auf der Promenade in Nervi sich gegenseitig bedienern,
Und sie waren als Statisten beim Empfang des italienischen Königs
in Mailand aufgestellt.

Da konnten sie einmal wieder aus vollem Herzen Hurra schreien.
So ′n König, und sei er noch so klein, ist doch janz was anderes als so ′ne
mickrige Republik.
In Bellaggio wandeln sie unter Palmen und Zypressen zu zweien,
Und aus dem Grandhotel tönt (fabelhaft echt italienisch; Pensionspreis
täglich 200 Lire) die Jazzmusik.

Wie hübsch in Bologna die Jungens mit den schwarzen Mussolinihemden!
Wie malerisch die Bettler am Kirchentor!
Die und die Flöhe finden einen Fremden
Aus hunderttausend Eingeborenen hervor.

In Genua am Hafen aus engen mit Wäsche verhangenen Gassen winken
Schwarzäugige Mädchen und sind bereit,
Gegen entsprechendes Honorar sich abzuschminken.
O du fröhliche, o du selige Frühlingszeit.

Dagegen das Kolosseum, die ollen Klamotten, die verstaubten Geschichten,
Das haben wir zu Hause auf halb bebautem Gelände auch, nu jewiß.
Den schiefen Turm von Pisa sollten sie mal jrade richten.
Mussolini hat dazu den nötigen Schmiß.

Über diesem Lande schweben egal weg die Musen,
Man sehe sich die Brera und die Uffizien an.
Die mageren Weiber von Botticelli kann ich nich verknusen,
Aber Rubens, det is mein Mann.

Wohin man sieht, spuckt einer oder verrichtet sonst eine Notdurft:
es ist ein echt volkstümliches Treiben.
Prächtig dies Monomuent Vittorio Emmanueles in Rom: goldbronziert
und die Säulenhalle aus weißem Gips.
Dafür kann mir das ganze Forum jestohlen bleiben.
Ich bin modern. A proposito: haben Sie für Karlshorst sichere Tips?

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Berliner in Italien von Klabund

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Berliner in Italien“ von Klabund ist eine bissig-humorvolle Satire auf das Verhalten deutscher Touristen, insbesondere Berliner, in Italien. Es zeigt eine Mischung aus Überheblichkeit, mangelndem kulturellen Verständnis und einem ausgeprägten Hang zum Pragmatismus, der die Schönheit und den Reichtum der italienischen Kultur auf eine oberflächliche Weise wahrnimmt. Der Autor nutzt eine umgangssprachliche, teils derbe Sprache, um den Kontrast zwischen der erlebten italienischen Welt und der spezifischen Berliner Perspektive pointiert darzustellen.

In den ersten Strophen werden die Berliner als omnipräsent dargestellt, die überall in Italien anzutreffen sind. Sie scheinen hauptsächlich daran interessiert, sich zu „bedienern“ und die typischen touristischen Attraktionen zu erleben, wobei sie sich über ihren eigenen Status und die vermeintliche Bedeutung von Monarchie lustig machen. Die Betonung auf die Kosten im Grandhotel und die Begeisterung für Jazzmusik, die als „fabelhaft echt italienisch“ bezeichnet wird, verdeutlichen die oberflächliche Aneignung italienischer Kultur, die eher auf Klischees basiert als auf echtem Interesse.

Die folgenden Strophen zeigen die Berliner in einem noch kritischeren Licht. Die Schönheit Italiens wird durch die Augen des Touristen reduziert und trivialisiert. Die malerischen Bettler, die Schwarzäugigen Mädchen und die künstlerischen Meisterwerke werden entweder abgetan oder auf eine sehr materielle Ebene gebracht. Das Kolosseum und der schiefe Turm von Pisa werden mit einer flapsigen Nonchalance abgetan, während die Kunst nach persönlichen Vorlieben beurteilt wird. Die abschließende Frage nach „sicheren Tips“ für Karlshorst suggeriert, dass der Berliner im Grunde die eigene, ihm vertraute Welt sucht, statt sich auf das Fremde einzulassen.

Klabunds Gedicht ist somit eine beißende Kritik an den deutschen Touristen, die mit ihrer spezifischen Mentalität und ihren vorgefassten Meinungen die italienische Kultur verzerren und missachten. Die Verwendung von ironischer Übertreibung, humorvollen Beobachtungen und einer schnoddrigen Sprache macht das Gedicht zu einer unterhaltsamen, aber auch tiefsinnigen Reflexion über die Begegnung verschiedener Kulturen, das Phänomen des Tourismus und die Schwierigkeit, sich wirklich auf das Fremde einzulassen. Das Gedicht ist letztlich ein Kommentar über die Art und Weise, wie wir unsere eigenen Vorurteile und Erwartungen in die Welt tragen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.