Bei Einweihung der Carls-Universität
…
Carl baut ein schwäbisches Athene! –
Und ach! im Pomp der Weihe fällt
Des Weisen und des Christen Thräne!
Denn Oetinger, der Lehrer einer Welt –
Er. der ins ungeheure Ganze
Mit scharfem Seheraug′ geblickt,
Und ungeblendet von dem Glanze
Des Wahns – mit Einfalt sich geschmückt; –
Ach, Oetinger – der wahre Jesusjünger –
Der seine Größe zwar gefühlt –
Und doch in Demuth sich geringer
Als seine jüngsten Brüder hielt; –
Ja Oetinger flog auf in jene Kreise. –
Senkt weinend ihn ins dunkle Grab hinein! –
Denn Er- der Christ! der Edle! und der Weise!!
War eine hohe Schul′ allein.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Bei Einweihung der Carls-Universität“ von Christian Friedrich Daniel Schubart zelebriert einerseits die Errichtung der Carls-Universität, verknüpft diese Feierlichkeit jedoch mit tiefer Trauer um den verstorbenen Gelehrten Oetinger. Die erste Strophe stellt einen Kontrast dar: Die Euphorie über den Bau einer Bildungsstätte, ein „schwäbisches Athene“, ist überschattet von den Tränen des Dichters, der den Verlust eines bedeutenden Geistes betrauert. Dieser einleitende Kontrast deutet bereits auf die Ambivalenz des Gedichts hin, das sowohl die Errungenschaften der Bildung würdigt als auch die Vergänglichkeit und den Wert individueller Weisheit hervorhebt.
Die folgenden Strophen widmen sich der Würdigung Oetingers, der als „Weiser“ und „Christ“ beschrieben wird, der mit „scharfem Seheraug“ das „ungeheure Ganze“ erkannte. Schubart hebt die Bescheidenheit Oetingers hervor, der sich „mit Einfalt geschmückt“ und sich in Demut seinen „jüngsten Brüdern“ gleichgestellt hat. Diese Beschreibung zeichnet ein Bild des idealen Gelehrten, der nicht nur über herausragende intellektuelle Fähigkeiten verfügt, sondern auch durch seine moralische Integrität und seine christliche Demut glänzt. Die Betonung auf Oetingers „Einfalt“ und Demut steht im Kontrast zur prunkvollen Einweihung der Universität und unterstreicht die Vorstellung, dass wahre Größe nicht in äußerlicher Pracht, sondern in innerer Weisheit und moralischer Stärke liegt.
Die vorletzte Strophe markiert einen Wendepunkt: Oetinger ist gestorben und wird nun in das Grab gesenkt. Das Pathos erreicht hier seinen Höhepunkt. Die Wiederholung von „Er“ und die Ausrufezeichen verstärken die Trauer und das Bedauern über den Verlust des Gelehrten. Diese Zeilen unterstreichen die Einzigartigkeit und den Wert Oetingers, dessen Tod als Verlust für die gesamte Gesellschaft empfunden wird.
Abschließend wird Oetinger als „eine hohe Schul’ allein“ bezeichnet. Diese letzte Aussage kondensiert die zentrale Botschaft des Gedichts: Der wahre Wert einer Universität, oder allgemeiner gesprochen der Bildung, liegt nicht nur in der Institution selbst, sondern vor allem in den Individuen, die sie prägen und beleben. Oetinger, mit seiner Weisheit, seinem christlichen Glauben und seiner Bescheidenheit, verkörpert diese ideale Gestalt des Gelehrten. Das Gedicht ist somit nicht nur eine Elegie auf einen verehrten Mann, sondern auch eine Reflexion über die Natur von Bildung, Weisheit und die Vergänglichkeit des Lebens.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.