Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , ,

Bei einer Linde

Von

Seh ich dich wieder, du geliebter Baum,
In dessen junge Triebe
Ich einst in jenes Frühlings schönstem Traum
Den Namen schnitt von meiner ersten Liebe?

Wie anders ist seitdem der Äste Bug,
Verwachsen und verschwunden
Im härtren Stamm der vielgeliebte Zug,
Wie ihre Liebe und die schönen Stunden!

Auch ich seitdem wuchs stille fort, wie du,
Und nichts an mir wollt weilen,
Doch meine Wunde wuchs – und wuchs nicht zu,
Und wird wohl niemals mehr hienieden heilen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Bei einer Linde von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Bei einer Linde“ von Joseph von Eichendorff ist eine melancholische Betrachtung über die Vergänglichkeit der Liebe und die unaufhaltsame Veränderung, die mit der Zeit einhergeht. Es beginnt mit einem Wiedersehen, einem Moment der Erinnerung, der den Dichter zu einer tiefen Reflexion anregt. Die Linde, als fester und beständiger Ankerpunkt, wird zum Spiegelbild der eigenen Entwicklung und der schmerzlichen Erfahrung der unerwiderten Liebe.

Die erste Strophe etabliert die Verbindung zwischen dem Dichter und dem Baum, konkret die Linde, an der er einst den Namen seiner ersten Liebe schnitt. Dies symbolisiert die tiefe Verbundenheit und das Versprechen der ewigen Liebe, das in der Jugend oft gegeben wird. Die Frage „Seh ich dich wieder, du geliebter Baum“ leitet einen Rückblick ein, der von Nostalgie und Sehnsucht nach einer vergangenen Zeit geprägt ist. Das „Frühlings schönstem Traum“ deutet auf eine unbeschwerte, idealisierte Vergangenheit hin.

In der zweiten Strophe wird der Lauf der Zeit und die daraus resultierenden Veränderungen thematisiert. Der „Äste Bug“, der früher die Initialen der Geliebten trug, ist nun „verwachsen und verschwunden“. Dies steht für das Verblassen der Liebe und der Erinnerung, die durch die Zeit überlagert werden. Das Bild der Linde wird zum Symbol der Entwicklung, sowohl der eigenen als auch der Beziehung. Der Hinweis auf die „schönen Stunden“ kontrastiert mit dem harten Stamm, was die Vergänglichkeit der Freude und die Beständigkeit des Schmerzes verdeutlicht.

Die abschließende Strophe fokussiert auf die individuelle Erfahrung des Dichters. Er vergleicht sein eigenes Wachstum mit dem des Baumes, betont aber die fortwährende und schmerzhafte Natur seiner Wunde. Die Zeile „Doch meine Wunde wuchs – und wuchs nicht zu“ ist das zentrale Element des Gedichts, das die Unfähigkeit des Dichters ausdrückt, über die vergangene Liebe hinwegzukommen. Die Wunde, die er durch die unerwiderte Liebe erlitten hat, heilt nicht, was die tiefe und anhaltende Wirkung dieser Erfahrung unterstreicht. Die abschließende Zeile „Und wird wohl niemals mehr hienieden heilen“ verdeutlicht die Hoffnungslosigkeit und die tiefe Melancholie des lyrischen Ichs.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.