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Bannerspruch

Von

Zur Einleitung des dritten Jahrgangs des Phönix.

Das Horn erscholl, der Renner scharrte!
So laß uns denn zu Felde ziehn!
Aufs Neue schwing´ ich die Standarte,
Die deine Farben läßt erglühn!
Und nenne Keiner mich verwegen,
Wer so vor deiner Schaar mich schaut:
Es wird ja stets dem jüngsten Degen
Des Banners Obhut anvertraut!

Ich lasse meinen Ruf erklingen,
Gewappnet, Duller, wie ich bin!
Ein Reich ja gilt es zu erringen
Der Menschheit, unsrer Königin!
Ein Reich, um welches sie noch heute
Von Thränen und von Blute trieft;
Doch dessen Throne nach dem Streite
Ein inn´res Ahnen ihr verbrieft!

Ein Reich, von dem ich oft gestammelt
Und es gesehen auch im Traum.
Die Völker hatten sich versammelt
Um einen einz´gen Lebensbaum.
Da war kein Schelten und kein Toben
Und keiner eitlen Rede Brunst;
Ich sah´ ein Band, das war gewoben
Aus Glaube, Freiheit, Wissen, Kunst.

Sie brachten Alle, was sie hatten,
Voll Eintracht Einem Weihaltar;
Wie Brüder sah ich auf den Matten
Gelagert diese große Schaar.
Und wie die Taube über Lämmern
Sich wiegt in Lüften, also schier
Sah milde durch der Zeiten Dämmern
Die Lieb´ ich schweben über ihr.

Das ist das Reich, nach dem wir streben;
Und ist auch unser Häuflein schwach:
Wir haben Kämpfer vor und neben,
Und immer neue wachsen nach!
Die ganze Menschheit Eine Heerde –
O, nur gerungen und geglaubt!
Es frommt ihr jede Hand breit Erde,
Die der Gemeinheit wir geraubt!

Im Kampfe nur erblühn uns Kränze!
Drum laß uns sein, wie der Kroat,
Der auf Illyriens Kriegergrenze
Dem Boden anvertraut die Saat;
Der, als ein Kriegesmann gerüstet,
Den Weizen in die Furche streut,
Und, wenn sein Schwert den Türken lüstet,
Schlagfertig dasteht allezeit!

Der, wenn er kehrt von seinen Zügen,
Beherzt und freudig, wie er schied,
Der Scholle dunklem Schooß entstiegen
Des jüngsten Lenzes Aussaat sieht;
Der friedlich jetzt, sein Korn zu mähen,
Die Sense statt des Säbels schwingt,
Und zwischen Ernten, Kämpfen, Säen,
Sein Leben ruhelos verbringt!

Ich fühl´s an meines Herzens Pochen:
Auch uns wird reifen unsre Saat!
Es ist kein Traum, was ich gesprochen,
Und jener Völkermorgen naht!
Ich seh´ ihn leuchten durch die Jahre;
Ich glaube fest an seine Pracht;
Entbrennen wird der wunderbare,
Und nimmer kehren wird die Nacht!

Wir aber reiten ihm entgegen;
Wohl ist er werth noch manchen Strauß.
Wirf aus die Körner, zieh´ den Degen;
Ich breite froh das Banner aus!
Mit festen Händen will ich´s halten;
Es muß und wird im Kampf bestehn;
Die Hoffnung rauscht in seinen Falten,
Und Hoffnung läßt nicht untergehn!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Bannerspruch von Ferdinand Freiligrath

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Bannerspruch“ von Ferdinand Freiligrath ist ein leidenschaftlicher Aufruf zur Revolution und zum Kampf für eine bessere, gerechtere Welt. Es ist ein Manifest des Idealismus, das die Sehnsucht nach einem vereinten, friedlichen Reich der Menschheit zum Ausdruck bringt und gleichzeitig die Notwendigkeit des Kampfes betont, um dieses Ziel zu erreichen.

Das Gedicht beginnt mit einem Aufruf zum Aufbruch, der durch die rhetorische Frage „So laß uns denn zu Felde ziehn!“ bekräftigt wird. Der Dichter schwingt die „Standarte“, das Banner, als Symbol für die Ideale der Bewegung, und ergreift die Rolle des jungen Kämpfers, der das Banner im Kampf trägt. Das Gedicht zeichnet das Bild eines idealen Reiches, in dem die Völker vereint sind und Frieden herrscht. Dieses Reich wird als „Reich der Menschheit“ bezeichnet, ein Ort, an dem es keinen Hass, sondern Eintracht, Glaube, Freiheit, Wissen und Kunst gibt. Freiligrath idealisiert ein harmonisches Zusammenleben, welches durch ein „Band, das war gewoben aus Glaube, Freiheit, Wissen, Kunst“ gestärkt wird.

Die Dichtung ruft zum Kampf für dieses Reich auf, trotz der Widrigkeiten und der Schwäche der eigenen Kräfte. Die Metapher des Säens wird verwendet, um die Doppelnatur des Kampfes widerzuspiegeln: Einerseits die Notwendigkeit, für die Ideale zu kämpfen, andererseits die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft. Der Kroat, der als Krieger sowohl die Saat streut als auch das Schwert schwingt, wird als Vorbild dargestellt, ein Sinnbild für die gleichzeitige Teilnahme an Krieg und Friedensarbeit. Durch die Metapher des „Kornes“, welches durch den Kampf erwächst, wird ein optimistischer Ausblick auf die Zukunft gegeben.

Der Bannerspruch endet mit einer emphatischen Bekräftigung des Glaubens an die Verwirklichung der Ideale. Die „Völkermorgen“ wird als eine Zeit des Wandels und der Erneuerung angekündigt, ein „wunderbarer“ Tag, an dem die Nacht der Unterdrückung und des Unrechts für immer weichen wird. Freiligrath beschwört die Hoffnung, die im Kampf aufscheint, und ruft dazu auf, das Banner mit festen Händen zu halten, denn die Hoffnung lässt nicht untergehen. Durch die Wiederholung von „Ich“ und „Wir“ wird die Überzeugung des Dichters in Verbindung mit dem kollektiven Kampfgeist des Volkes deutlich. Das Gedicht ist ein kraftvolles Zeugnis für den Glauben an die revolutionäre Veränderung.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.