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Bahnhöfe

Von

Wenn in den Gewölben abendlich die blauen Kugelschalen

Aufdämmern, glänzt ihr Licht in die Nacht hinüber gleich dem Feuer von Signalen.

Wie Lichtoasen ruhen in der stählernen Hut die geschwungenen Hallen

Und warten. Und dann sind sie mit einem Mal von Abenteuer überfallen,

Und alle erzne Kraft ist in ihren riesigen Leib verstaut,

Und der wilde Atem der Maschine, die wie ein Tier auf der Flucht stille steht und um sich schaut,

Und es ist, als ob sich das Schicksal vieler hundert Menschen in ihr erzitterndes Bett ergossenhätte,

Und die Luft ist kriegerisch erfüllt von den Balladen südlicher Meere und grünerKüsten und der großen Städte.

Und dann zieht das Wunder weiter. Und schon ist wieder

Stille und Licht wie ein Sternhimmel aufgegangen,

Aber noch lange halten die aufgeschreckten Wände, wie Muscheln Meergetön, dieverklingende Musik eines wilden Abenteuers gefangen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Bahnhöfe von Ernst Stadler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Bahnhöfe“ von Ernst Stadler fängt die Atmosphäre und den Geist der Moderne ein, indem es die einzigartige Dynamik und das Gefühl der Bewegung und des Wandels einfängt, die durch die Eisenbahn und die Bahnhöfe verkörpert werden. Der Autor verwendet eine lebhafte Bildsprache, um sowohl die physische Präsenz des Bahnhofs als auch die emotionale Resonanz, die er beim Betrachter hervorruft, zu erfassen. Die „blauen Kugelschalen“ des Lichts, die „stählernen Hut[e]“ und die „riesigen Leib[er]“ der Maschinen vermitteln ein Bild von industrieller Größe und technologischer Leistung, während die „Balladen südlicher Meere“ und „grünen Küsten“ auf die Sehnsucht nach der Ferne und den Wunsch nach Abenteuer hinweisen, der mit dem Reisen verbunden ist.

Das Gedicht zeichnet sich durch seinen Fokus auf den Moment der Veränderung und des Übergangs aus. Der Bahnhof wird als Ort dargestellt, an dem das Unbekannte wartet, wo sich das Schicksal in einem einzigen Augenblick verdichten kann. Die Beschreibung des Zuges als „Tier auf der Flucht“, das still steht und sich umsieht, erzeugt ein Gefühl von Spannung und Erwartung. Der Übergang von der Bewegung zum Stillstand, von der Ankunft zur Abreise, wird in den Bildern von „Abenteuer“ und „Wunder“ gefasst, die immer wieder in den Vordergrund treten. Diese flüchtigen Momente werden mit der Erfahrung der Veränderung und des Wandels in der modernen Welt in Verbindung gebracht.

Ein zentrales Thema des Gedichts ist die menschliche Erfahrung von Bewegung, Sehnsucht und dem Gefühl der Unendlichkeit. Die Bahnhöfe sind Orte der Hoffnung und der Träume, wo Menschen aufbrechen, um neue Horizonte zu erkunden, oder von ihren Abenteuern heimkehren. Stadler erzeugt mit seinen Bildern und der Sprache einen emotionalen Sog, der den Leser in die Welt des Reisens und der Veränderung hineinzieht. Er stellt die Schönheit und das Geheimnis dar, das mit dem Reisen und dem Verlassen des Bekannten verbunden ist, und erfasst die Faszination und den Reiz des Neuen, das auf der anderen Seite der Reise wartet.

Die Struktur des Gedichts unterstützt seine thematische Botschaft. Die fließenden Zeilen und die freie Verwendung von Enjambements spiegeln das Gefühl der Bewegung wider. Wiederkehrende Bilder und Motive, wie das Licht, die Maschinen und die Sehnsucht nach der Ferne, erzeugen eine kohärente und eindringliche Wirkung. Das Gedicht endet mit dem Nachhall des Abenteuers, der in den Wänden des Bahnhofs widerklingt, was darauf hindeutet, dass die Erinnerung an diese flüchtigen Momente die menschliche Erfahrung nachhaltig prägt. Stadler nutzt die bildreiche Sprache, um eine Verbindung zwischen dem physischen Raum des Bahnhofs und der komplexen menschlichen Erfahrung von Sehnsucht, Bewegung und Wandel herzustellen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.