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Auß dem Lob einer Nachtmusic

Von

Die Music mein ich hier / die Sinn und Muht durchdringet /
und mit der Liebligkeit biß in das Marck erklinget.
wo nichtes anders sonst des Menschen Muht bewegt /
da ist sie offters / die den Geist in ihm erregt;
und der vohr lange Zeit betrübet hat gesessen /
der kan durch die Music bald werden so vermessen /
daß er mit gradem Fuß lest sehen was er kan /
und stelt sich / als wolt er den hohen Himmel an.
Und dieses hab ich selbst zuhm offtern so befunden /
ja erst noch diese Nacht in mitnächtlicher Stunden /
da mich die Gans im Bett auch kaum gehalten hat /
weil dieses ganze Hauß mir vorkam als ein Radt:
die Stüle hüpften mir vohr Augen auff und nieder /
die Tisch und Bäncke gleich sich regten hin und wieder:
so starck ist die Music gewesen diese Nacht /
als recht in deren mitt′ ich war vohm Schlaff erwacht /
und was zuhm offtern mir ein Fabel war gewesen /
wan ich vohn Orpheus hatt und seiner Kunst gelesen /
das fieng mir gänzlich an für Wahrheit einzugehn etc.

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Gedicht: Auß dem Lob einer Nachtmusic von Sibylla Schwarz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Aus dem Lob einer Nachtmusic“ von Sibylla Schwarz feiert die transformative Kraft der Musik, insbesondere die einer nächtlichen Darbietung, und deren Fähigkeit, die menschliche Seele zu durchdringen und zu erheben. Die Autorin beginnt mit einer direkten Ansprache an die Musik selbst, indem sie deren Fähigkeit hervorhebt, „Sinn und Muht durchdringet“ und „mit der Liebligkeit biß in das Marck erklinget“. Dies deutet auf die tiefgreifende Wirkung der Musik hin, die über die bloße Oberfläche hinausgeht und das Wesen des Menschen erreicht.

Der zweite Teil des Gedichts widmet sich der spezifischen Erfahrung der Autorin in einer nächtlichen Musikvorführung. Sie beschreibt die Wirkung der Musik auf ihren eigenen Geist und Körper, wobei die Zeilen „da mich die Gans im Bett auch kaum gehalten hat“ eine humorvolle Übertreibung darstellen, die die Intensität der Erfahrung unterstreicht. Die anschließende Beschreibung der sich bewegenden Möbel – „die Stüle hüpften mir vohr Augen auff und nieder / die Tisch und Bäncke gleich sich regten hin und wieder“ – deutet auf eine synästhetische Erfahrung hin, in der die Musik visuell wahrgenommen wird und die Welt um sie herum zu tanzen scheint.

Diese lebhaften Beschreibungen dienen dazu, die übernatürliche, fast mythische Qualität der Musik zu vermitteln. Die Autorin vergleicht ihre Erfahrung mit den Erzählungen von Orpheus und dessen Fähigkeit, mit seiner Musik die Toten zu verzaubern und die Natur zu bewegen. Indem sie ihre eigene Erfahrung als Wahrheit bestätigt, relativiert sie die mythologischen Geschichten nicht, sondern unterstreicht die universelle und zeitlose Kraft der Musik, Emotionen hervorzurufen und die Wahrnehmung der Realität zu verändern.

Die Bedeutung des Gedichts liegt also in der Feier der Musik als einer Quelle der Inspiration, der Erhebung und der Transformation. Sibylla Schwarz gelingt es, die immaterielle Kraft der Musik in konkrete Bilder und sinnliche Eindrücke zu fassen. Die Verwendung von lebendigen Metaphern und Übertreibungen verstärkt die Wirkung der Musik und vermittelt die Freude und das Staunen, das sie in der Autorin auslöst. Das Gedicht ist somit nicht nur eine Hommage an die Musik, sondern auch ein Zeugnis ihrer Fähigkeit, die Grenzen der menschlichen Erfahrung zu erweitern.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.