Wer weit verreisen wil / der raise weit und breit
die Heilge Schrifft herdurch / das hilfft zuhr Seeligkeit;
wer weit verraisen wil / der schaw die Bücher an /
darin er recht und wohl die Welt beschawen kan;
der hat ein freyen Pas / der geht auff Gottes Wegen /
an andrer Raisens=art ist gar nicht viel gelegen.
Auff die, so durch Reisen wollen berühmet werden
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Auff die, so durch Reisen wollen berühmet werden“ von Sibylla Schwarz ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Streben nach Ruhm durch Reisen, indem es eine konträre Sichtweise aufzeigt und die wahre Quelle des Ruhms in der spirituellen und intellektuellen Auseinandersetzung mit der Welt verortet. Das Gedicht ist eine klare Gegenüberstellung von äußerlicher, weltlicher Reise und innerer, geistiger „Reise“, wobei letztere als der wahre Weg zum Ruhm und zur „Seeligkeit“ dargestellt wird.
Der erste Teil des Gedichts beginnt mit einer Aufforderung an diejenigen, die durch Reisen berühmt werden wollen, weite Reisen zu unternehmen – aber mit einer deutlichen Einschränkung. Die „Heilge Schrifft“ und die „Bücher“ werden als die wahren Quellen des Wissens und der Erleuchtung genannt. Diese Formulierung kehrt die Erwartung, Ruhm durch geografische Entfernung zu erlangen, um und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung von Bildung und spiritueller Erkenntnis. Der „freie Pas“, der dem Reisenden auf Gottes Wegen gewährt wird, unterstreicht die Idee, dass der wahre Ruhm in der Hingabe an ein höheres Ziel und in der intellektuellen Auseinandersetzung mit der Welt liegt.
Die Verwendung von religiösen Begriffen wie „Seeligkeit“ und „Gottes Wegen“ deutet auf eine tiefe religiöse Überzeugung hin, die in der Barockzeit weit verbreitet war. Schwarz verbindet hier spirituelle Werte mit der Vorstellung von Ruhm, was für ihre Zeit typisch war, in der Bildung und Religion eng miteinander verknüpft waren. Durch die Betonung der inneren Reise durch die Heilige Schrift und die Bücher etabliert die Dichterin eine Hierarchie, in der die äußere, weltliche Reise gegenüber der inneren, spirituellen Reise abgewertet wird.
Schwarz‘ Gedicht ist ein klares Beispiel für die Moralpoesie der Barockzeit, die oft eine ermahnende und belehrende Funktion hatte. Sie hinterfragt das oberflächliche Streben nach Ruhm und lenkt die Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Werte des Lebens: Wissen, Glauben und die Auseinandersetzung mit der Welt. Der abschließende Vers „an andrer Raisens=art ist gar nicht viel gelegen“ verstärkt diese Botschaft und deutet auf die Nichtigkeit weltlicher Ambitionen im Vergleich zu den wahren Quellen des Ruhms und der Erfüllung hin.
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Lizenz und Verwendung
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