Du Licht der gantzen Welt / Ey Sonne sey gebeten /
Ein wenig still zu stehn / undt nicht so schnell zu treten
Des hohen Himmels Bahn! Ihr Stunden eilt so nicht!
Ey Luna schlaff doch lang / undt laß uns Phebus Licht!
Der Tagk sey noch so lang! Ihr güldnen Himmels Noten /
Ihr Sternen / die ihr seit der schwartzen Nacht Vorbotten /
Brecht nicht so balt herfür / last meiner Leyer Zeit /
Das sie besingen mag / was man besinget heut!
Ey / ey / was wil ich thun? Diana wil schon wachen /
Apollo will den Kreiß der Erden Taglooß machen /
Und eilt zur ruh ins Mähr; drüm / Freundin / nemt doch an
Was in der Eilenflucht ich itzt erdencken kan.
Was liegt mir im Gehirn / das ich so gar vergessen
Mein heutiges Gebüer? Ich kan es kaum ermessen /
Was mich verhindert hat; Ihr Geister kompt zu hauß /
Hier felt was nötigs für / komt / komt / und fliegt nicht auß!
Ey Clio hastu noch den Bandt nicht voll gewunden /
Da meine Freundin mit soll werden angebunden?
Gib her / es ist zwar schlecht / doch die ihn haben soll /
Gibt nicht auff stoltzen Pral / undt ist der Demuth voll.
Ey Feder bistu stumpf / undt ist die Dint zu dicke!
Verstöre mich doch nicht / damit ich mich noch schicke
In die so schnelle Zeit! Jung geh / steck an das Licht /
Undt bring mein Pittschaft her / das dient vor frembt gesicht.
Lauf fort / das ist der Briff / wündsch ihr viel guts darneben /
Und das sie diesen Tag mag tausendt mahl erleben /
In Fried und Fröligkeit / geh / geh / undt seum dich nicht /
Schau / wie der Abendstern schon durch die Wolcken bricht.
Auff den Nahmenstag Ihrer Vielgeehrten Freundin B. G.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Auff den Nahmenstag Ihrer Vielgeehrten Freundin B. G.“ von Sibylla Schwarz ist eine charmante und lebhafte Reflexion über die Schwierigkeit, ein passendes Geburtstagsgedicht rechtzeitig fertigzustellen. Es ist ein Beispiel für Gelegenheitsdichtung, die sich auf einen konkreten Anlass bezieht und zugleich einen Einblick in die kreativen Prozesse der Dichterin gibt. Der Fokus liegt weniger auf der tiefgründigen philosophischen Aussage als vielmehr auf der Darstellung der Umstände und der Dringlichkeit des Schreibens.
Das Gedicht beginnt mit einem Appell an die Naturphänomene wie Sonne, Mond und Sterne, die Dichterin bittet, ihre natürliche Geschwindigkeit zu verlangsamen, um ihr mehr Zeit für die Vollendung ihres Werkes zu geben. Dieser humorvolle Aufruf zur Zeitverlangsamung betont die Eile und den Zeitdruck, unter dem die Autorin steht. Sie fühlt sich von der „Eilenflucht“ der Zeit eingeholt, was die Dringlichkeit ihres Vorhabens unterstreicht. Der stetige Wechsel von Anrufen und Fragen erzeugt einen dynamischen Rhythmus, der die innere Unruhe und das kreative Bemühen widerspiegelt.
In den folgenden Strophen wird der Schreibprozess selbst thematisiert. Die Dichterin hadert mit ihrer Kreativität: Sie beklagt das „Vergessen“ des Geburtstags, bittet die Muse Clio um Unterstützung und kritisiert ihre Feder und Tinte. Diese Selbstreflexivität macht das Gedicht zu einem persönlichen Dokument des Schaffensprozesses. Die Verwendung des Wortes „Pittschaft“ (wahrscheinlich ein kleines Geschenk) zeigt, dass das Gedicht selbst Teil des Geschenks sein soll, was die Intimität und den Wert der Geste hervorhebt.
Die letzten Verse atmen dann eine fast befreite Freude. Die Dichterin beauftragt einen Boten, das Gedicht zusammen mit einem Glückwunsch zu überbringen. Das Gedicht schließt mit einem schnellen Abschied und einem Blick auf den Abendstern, was das Gefühl der Eile und des Abschlusses verstärkt. Das Gedicht ist also nicht nur eine Ode an die Freundin, sondern auch ein Selbstporträt des Dichters in einer Situation des Zeitdrucks und der kreativen Herausforderung.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.
