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Auf den neuern Teil dieser Sinngedichte

Von

Ins zweimal neunte Jahr, mit stummer Ungeduld,
Bewahrt′, auf Besserung, sie mein verschwiegnes Pult.
Was sie nun besser sind, das läßt sich leicht ermessen:
Mein Pult bewahrte sie; ich hatte sie vergessen.

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Gedicht: Auf den neuern Teil dieser Sinngedichte von Gotthold Ephraim Lessing

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auf den neuern Teil dieser Sinngedichte“ von Gotthold Ephraim Lessing ist eine pointierte Selbstreflexion über das eigene dichterische Schaffen und dessen Wert. Das Gedicht spielt mit der Zeit und der Frage, wie sich der Wert von Kunst im Laufe der Zeit verändern kann. Die knappe Form und die präzisen Worte sind charakteristisch für Lessings Stil und unterstreichen die Schärfe seiner Beobachtungsgabe.

Die ersten beiden Verse beschreiben die Ungeduld, mit der der Autor neun mal zwei Jahre (also 18 Jahre) darauf wartete, dass das Manuskript – „mein verschwiegnes Pult“ – verbessert und veröffentlicht wird. Der Ausdruck „stummer Ungeduld“ deutet an, dass der Autor zwar hoffte, aber gleichzeitig auch eine gewisse Skepsis gegenüber der eigenen Arbeit hegte. Das „Pult“ steht dabei für das Manuskript und symbolisiert die Kunstwerke selbst, die auf ihre Vollendung und hoffentlich auch auf ihren Wert warten. Die Verwendung des Wortes „bewahrt“ deutet auf eine gewisse Zögerlichkeit hin, das Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die Pointe des Gedichts offenbart sich in den letzten beiden Versen. Hier wird der Leser mit der überraschenden Erkenntnis konfrontiert, dass die vermeintliche „Besserung“ des Werkes im Laufe der Zeit ausschließlich darin besteht, dass es vom Autor vergessen wurde. Lessing stellt somit die Frage nach der Qualität und Bedeutung seines Werkes in den Mittelpunkt. Das Vergessen des Werkes durch den Autor, also das Ignorieren der eigenen Arbeit, ist hier nicht als Nachlässigkeit oder mangelnde Wertschätzung zu verstehen, sondern als eine subtile Form der Selbstkritik.

Das Gedicht endet mit einer Ironie, die typisch für Lessing ist. Die Wertlosigkeit des Werkes wird indirekt durch die Tatsache ausgedrückt, dass es vergessen wurde. Durch diese Wendung wird die Erwartungshaltung des Lesers, die durch die Anfangsverse aufgebaut wurde, unterlaufen. Das Gedicht ist somit nicht nur eine Selbstreflexion, sondern auch eine Kritik an der menschlichen Eitelkeit und dem Wunsch nach Anerkennung. Es zeigt, dass der Wert von Kunst nicht unbedingt durch äußere Umstände, sondern vielmehr durch die eigene innere Überzeugung und das eigene Urteil bestimmt wird.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.