Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , ,

Apollo und Minerva

Von

An den Verfasser der Trauerspiele: die Horatier und Timoleon.

Mein Behrmann, den Geschmack und Witz und Redlichkeit
Von niederträcht′gem Wahn entfernet,
Den auch ein innrer Reichthum körnet,
Der weder Wind noch Fluten scheut,
Ermüde nicht, in lehrenden Gedichten
Die deutschen Musen zu erfreun.
Der Dünkel meistre dich; es mag die Thorheit richten;
Nicht aber dich mit Witz und Kunst entzwein.
Der Einfalt lächerliches Lachen
Muß deine Seele nicht klein, träg′ und irdisch machen.
Sei stets der Wahrheit hold, (sie nutzt vor tausend Sachen)
Und schäme dich nicht, klug zu sein.

Die Fabel, die ich dich jetzt lehre,
Zeigt unsers Pöbels Ekel an;
Und dennoch bleibt es wahr: Ein reicher, weiser Mann
Ist zwiefach seiner Eltern Ehre.

Der Gott der Aerzt′ und der Poeten
Und Pallas wurden einst vom Himmel weggebannt,
Die Ursach′ ist noch unbekannt,
Und scheint zu wissen nicht vonnöthen.

Als dieses Paar die Welt betrat,
Beriethen beide sich, was bestens anzufangen?
Apollo sprach: Ich schaffe Rath,
Mein Lebensöl muß Brod erlangen.
Minerva rief frohlockend aus:
Auch meiner Kunst bedarf ein jedes Haus.

Man waget den Versuch, und baut im nächsten Orte
Zwo große Storgerbühnen auf.
Apollo hat, als Arzt, viel Herrliches zu Kauf,
Und rühmet, was er hat, durch ausgesuchte Worte.
Sein Wunderelixir, das alte Haut verjüngt,
Den ächten Theriac, die besten Augensalben,
Ein Oel, das jede Krankheit zwingt,
Und Apotheken g′nug, zu ganzen und zu halben.

Die Tochter Jupiters nahm Seelen in die Cur,
Sie sprach: Mein Gegengift wehrt allen Vorurtheilen,
Mein Weisheitbalsam ist die Stärkung der Natur;
Er kann den schlimmsten Schaden heilen:
Des Aberglaubens Krebs, der viele Lehrer plagt,
Die Ueppigkeit, die Zehrung ganzer Reiche,
Den Wurm des Widerspruchs, der Haubt und Zunge nagt,
Den Neid, der kleinen Geister Seuche.

Die Mittel, die ich zubereite,
Vertreiben ungesäumt der Schwätzer Lügensucht,
Und die Vergessenheit, des rohen Undanks Frucht,
Die Taubheit und den Kropf, die Krankheit großer Leute,
Des Geizes Höllendurst, der Einfalt Eigensinn,
Den tilg′ ich wundersam; so wahr ich Pallas bin!
Auch nehm′ ich die Bezahlung nur
Nach glücklich angeschlagner Cur.

Apollo machte fleißig Kunden,
Die arme Pallas hatte Ruh′.
Nur ihm warf man das Schnupftuch zu,
Er rieth den Kranken und Gesunden.

Wo wird die Weisheit Kranke finden?
Ein jeder hält sich schon für klug,
Bescheiden, liebreich, fromm genug.
Der Hochmuth hilft ihm schon zu Gründen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Apollo und Minerva von Friedrich von Hagedorn

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Apollo und Minerva“ von Friedrich von Hagedorn ist eine satirische Fabel, die sich kritisch mit der Wertschätzung von Kunst und Wissenschaft in der Gesellschaft auseinandersetzt. Es verwendet die allegorischen Figuren des Apoll, dem Gott der Heilkunst und Poesie, und Minerva, der Göttin der Weisheit und Künste, um die Ungleichbehandlung zwischen der reinen Lehre und den scheinbar greifbareren Errungenschaften zu veranschaulichen. Die Kernbotschaft des Gedichts ist, dass in einer Welt, die von Oberflächlichkeit und falscher Wahrnehmung geprägt ist, wahre Weisheit und die Künste oft geringgeschätzt werden.

Die Fabel beginnt mit einem Aufruf an den Dichter, sich nicht vom „niederträcht’gen Wahn“ und dem „Dünkel“ beirren zu lassen und stattdessen die deutsche Musen mit seiner Kunst zu erfreuen. Hagedorn betont die Wichtigkeit von Redlichkeit, Geschmack, Witz und einem inneren Reichtum. Die Einführung des Apollo und der Minerva als Götter, die auf die Erde verbannt wurden, dient als Ausgangspunkt für die eigentliche Geschichte. Während Apollo sich auf die Schaffung von Produkten wie einem „Wunderelixir“ und „Augensalben“ konzentriert, wirbt Minerva mit Weisheit und der Heilung von moralischen und intellektuellen „Krankheiten“.

Das Gedicht entfaltet sich in einer satirischen Darstellung der unterschiedlichen Reaktionen der Menschen auf die Angebote der beiden Götter. Apollo, der Arzt, der Heilmittel verkauft, findet sofort zahlreiche Kunden, die seine Waren kaufen. Minerva, die Göttin der Weisheit, bleibt jedoch erfolglos. Die Menschen sehen sich selbst als bereits „klug, bescheiden, liebreich, fromm genug“, wodurch ihre Weisheit überflüssig erscheint. Dies unterstreicht die Ironie, dass die Gesellschaft das Materielle und Oberflächliche dem Intellektuellen und Spirituellen vorzieht.

Die Sprache des Gedichts ist klar und prägnant, typisch für die Aufklärung, und verwendet eine Reihe von rhetorischen Figuren, um die satirische Wirkung zu verstärken. Durch die Verwendung von Begriffen wie „Pöbel“ und „Hochmuth“ wird die Kritik an der mangelnden Wertschätzung von Weisheit und Kunst verschärft. Die allegorischen Figuren ermöglichen es Hagedorn, die gesellschaftlichen Missstände auf eine spielerische und dennoch eindringliche Weise zu kritisieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Apollo und Minerva“ ein lehrreiches Gedicht ist, das die Leser dazu anregen möchte, über die wahre Bedeutung von Wissen, Weisheit und Kunst nachzudenken. Es kritisiert die Oberflächlichkeit und Selbstüberschätzung der Gesellschaft und plädiert für die Wertschätzung von tieferem Verständnis und moralischer Integrität. Die Fabel ist somit ein Appell für einen bewussteren Umgang mit den wahren Werten des Lebens.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.