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Apollo, ein Hirte

Von

Mein Herz gleicht den zufriednen Herzen,
Die Lieb′ und freier Muth belebt,
Die gern in sichrer Ruhe scherzen,
Wann rauschend Glück den Stolz erhebt.
Die Ehre gönn′ ich größern Leuten,
Und wünsche mir auf dieser Welt
Nur den Genuß der Zärtlichkeiten,
Die Neid und Argwohn nicht vergällt.

Was liebenswürdig ist, zu lieben,
Hat uns die paarende Natur
Mit unserm Blut ins Herz geschrieben,
Und das entfällt dem Alter nur.
Erfinder weiser Schwermuthsgründe!
Wenn man bei eurem Klügeln lacht,
So rechnet′s der Natur zur Sünde,
Daß sie die Lust so reizend macht.

Verdruß und Tadel zu verhüten,
Will ich mich unbemerkt erfreun;
Nicht viel gehorchen noch gebieten,
Kein Sklav′ und auch kein König sein;
Nicht blos mit Schein und Farben prangen,
Die nur der Pöbel trefflich heißt;
Kurz: wenig fürchten und verlangen,
Dies ganz allein rührt meinen Geist.

Als einsten Phöbus von dem Himmel
Gezwungen seinen Abschied nahm,
Und aus der Oberwelt Getümmel
Zu seinem Freund Admetus kam;
Da wählt′ er sich ein freies Leben,
Den angenehmen Schäferstand,
Den Sicherheit und Fried′ umgeben,
Der Neid und Herrschsucht nie gekannt.

Hier konnt′ er, zwischen Wald und Flüssen,
Der Ruhe Herz und Lieder weihn.
Er konnte dichten, lachen, küssen:
Bedarf man mehr, vergnügt zu sein?
Der Gott vergaß, bei muntern Chören,
Wann ihm ein holder Mund gefiel,
Die stolze Harmonie der Sphären,
Doch nicht sein sanftes Saitenspiel.

Die besten Lämmer auf den Feldern,
Die süß′ste Milch, den schönsten Strauß,
Die erste Frucht aus nahen Wäldern
Las man für diesen Fremdling aus.
Man fodert ihn zu allen Reihen;
Kein Tanz schien artiger geziert,
Als den er nach den Feldschalmeien
Mit einer Hirtin aufgeführt.

Oft ward im Busch, bei ihren Schafen,
Ein müdes Kind von ihm entdeckt,
Und, wann sie lächelnd eingeschlafen,
Von ihm bewacht, von ihm geweckt.
Oft wollten, um ihn zu gewinnen,
Ihm andre froh entgegen gehn,
Dann schalkhaft seiner Hand entrinnen,
Dann wieder ihm zur Seite stehn.

Er hörte manche Hirtin sagen:
Dem Phöbus sei zu viel geschehn,
Und Göttern etwas abzuschlagen
Sei auch an keiner Daphne schön:
Aus Eigensinn zum Baume werden,
Wann treue Sehnsucht uns erschleicht,
Das sei die schlimmste Wahl auf Erden,
Der keine sonst an Thorheit gleicht.

Dem Phöbus gab ein neu Ergötzen,
Was man zu ihm vom Phöbus sprach,
Das er mit schmeichelhaften Sätzen
Von Scherz und Regung unterbrach.
Man merkte sich die Götterlehre:
Ein jeder liebte, ward geliebt,
Und fand, daß nichts die Lust vermehre,
Die Eintracht, Lenz und Dichtkunst gibt.

So flohen ihn Gefahr und Sorgen,
Und so entzückte seine Brust
Ein frischer Scherz mit jedem Morgen,
Mit jedem Abend neue Lust.
Er dachte bei den Wasserfällen:
Den Nectar, Götter! lass′ ich euch.
Was ist im Himmel diesen Quellen,
Was dieser Phyllis Busen gleich?

Der bärt′ge Zeus ersah die Freude.
Und des vergnügten Flüchtlings Glück;
Und er berief, aus bitterm Neide,
Ihn zeitig von der Welt zurück.
Dies lehrt uns, daß die frohe Stille,
Die Jugend, Witz und Kuß vereint,
Das Herz mit solcher Lust erfülle,
Die Götter selbst zu reizen scheint.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Apollo, ein Hirte von Friedrich von Hagedorn

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Apollo, ein Hirte“ von Friedrich von Hagedorn ist eine Ode an das einfache Leben, die Freude und die Liebe, und eine Kritik an der übermäßigen Beschäftigung mit Ruhm und Macht. Es wird in Form einer poetischen Erzählung dargeboten, die die Geschichte des Sonnengottes Apollo erzählt, der vorübergehend aus dem Olymp herabsteigt, um als Hirte unter den Menschen zu leben.

Die ersten Strophen setzen den Ton des Gedichts. Der Sprecher identifiziert sich mit einem Herzen, das „den zufriednen Herzen“ gleicht, und bevorzugt „den Genuß der Zärtlichkeiten“ gegenüber dem „rauschend Glück“ und der „Ehre“. Diese Betonung der einfachen Freuden deutet auf eine Ablehnung von ehrgeizigen Bestrebungen und eine Hinwendung zu einem unbeschwerten Leben hin. Die zweite Strophe unterstreicht die Natürlichkeit der Liebe und des Genusses, und kritisiert diejenigen, die die Freude durch Grübeleien oder gesellschaftliche Konventionen zu verkomplizieren suchen.

Der Mittelteil des Gedichts erzählt von Apollos Leben als Hirte. Er verlässt den Olymp, um in einem idyllischen Umfeld, fernab von „Getümmel“ und Herrschsucht, ein Leben der Ruhe und des Genusses zu führen. Er widmet sich dem Dichten, Lachen und Küssen, umgeben von der Natur und der Gesellschaft liebenswerter Menschen, insbesondere einer Hirtin namens Phyllis. Die poetische Sprache beschreibt diese Szenen mit einer gewissen Leichtigkeit und Natürlichkeit, die die Freude des Lebens widerspiegelt. Apollo genießt nicht nur die Freuden der Natur, sondern wird auch von den Menschen geschätzt und verehrt.

Die letzten Strophen des Gedichts enthalten eine Moral, die sich aus Apollos Glück und seinem anschließenden Rückruf in den Olymp ergibt. Zeus, der offenbar neidisch auf Apollos Freude ist, ruft ihn zurück. Dies deutet darauf hin, dass selbst die Götter von der schlichten Freude und der Eintracht angezogen werden, die die Menschen durch Liebe, Jugend und Kunst erfahren können. Das Gedicht mahnt zur Mäßigung und warnt vor den Gefahren der Übertreibung, indem es zeigt, dass selbst die Götter von der Fülle des irdischen Glücks angezogen und möglicherweise durch sie bedroht werden.

Insgesamt ist „Apollo, ein Hirte“ ein Plädoyer für ein Leben in Einfachheit, Freude und Liebe, abseits der Hektik und Ambitionen der Welt. Es ist eine Ode an die Freuden der Natur, der menschlichen Beziehungen und der Kunst, die die Menschen in ihrer Einfachheit glücklich machen können. Das Gedicht stellt eine Gesellschaftskritik dar, indem es die Werte der damaligen Zeit in Frage stellt und die Bedeutung von Harmonie und Genuss hervorhebt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.