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Antworten bei einem gesellschaftlichen Fragespiel

Von

Was ein weiblich Herz erfreue
In der klein- und großen Welt?
Ganz gewiß ist es das Neue,
Dessen Blüte stets gefällt;
Doch viel werter ist die Treue,
Die auch in der Früchte Zeit,
Noch mit Blüten uns erfreut.

Paris war, in Wald und Höhlen,
Mit den Nymphen wohl bekannt,
Bis ihm Zeus, um ihn zu quälen,
Drei der Himmlischen gesandt;
Und es fühlte wohl im Wählen,
In der alt und neuen Zeit,
Niemand mehr Verlegenheit.

Geh den Weibern zart entgegen,
Du gewinnst sie, auf mein Wort;
Und wer rasch ist und verwegen,
Kommt vielleicht noch besser fort;
Doch wem wenig dran gelegen
Scheinet, ob er reizt und rührt,
Der beleidigt, der verführt.

Vielfach ist der Menschen Streben,
Ihre Unruh′, ihr Verdruß;
Auch ist manches Gut gegeben,
Mancher liebliche Genuß;
Doch das größte Glück im Leben
Und der reichlichste Gewinn
Ist ein guter, leichter Sinn.

Wer der Menschen töricht Treiben
Täglich sieht und täglich schilt,
Und, wenn andre Narren bleiben,
Selbst für einen Narren gilt,
Der trägt schwerer als zur Mühle
Irgendein beladen Tier.
Und, wie ich im Busen fühle,
Wahrlich! so ergeht es mir.

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Gedicht: Antworten bei einem gesellschaftlichen Fragespiel von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Antworten bei einem gesellschaftlichen Fragespiel“ von Johann Wolfgang von Goethe präsentiert eine Reihe von Antworten auf unterschiedliche Fragen, die in einem gesellschaftlichen Kontext gestellt wurden. Die Struktur des Gedichts ähnelt einem Frage-Antwort-Spiel, wobei Goethe in jeder Strophe eine neue Frage beantwortet und dabei unterschiedliche Aspekte des Lebens und der menschlichen Natur beleuchtet. Die Antworten sind nicht nur informativ, sondern spiegeln auch Goethes tiefgründige Beobachtungen und seine Weltanschauung wider.

Die erste Strophe konzentriert sich auf die Frage, was ein weibliches Herz erfreut. Goethe identifiziert zunächst das „Neue“ als anziehend, betont aber anschließend die „Treue“ als noch wertvoller. Diese Gegenüberstellung deutet auf Goethes Wertschätzung von Beständigkeit und Verlässlichkeit hin, die im Gegensatz zur flüchtigen Begeisterung für das Unbekannte steht. Die zweite Strophe spielt mit der Geschichte des Paris und der Wahl der Göttinnen. Hier wird die Schwierigkeit der Wahl hervorgehoben, was eine subtile Anspielung auf die Komplexität menschlicher Entscheidungen darstellt.

In der dritten Strophe gibt Goethe Ratschläge zum Umgang mit Frauen. Er empfiehlt eine sanfte Annäherung, stellt aber auch fest, dass Mut und Verwegenheit zum Erfolg führen können. Gleichzeitig warnt er vor Gleichgültigkeit, da diese abstoßend wirkt. Diese Ambivalenz zeigt Goethes Verständnis für die unterschiedlichen Facetten menschlicher Beziehungen und die Notwendigkeit, verschiedene Verhaltensweisen zu berücksichtigen. Die vierte Strophe widmet sich dem Streben nach Glück. Goethe hebt die Vielfalt des menschlichen Strebens hervor, einschließlich „Unruh'“ und „Verdruß“, und betont, dass das größte Glück in einem „guten, leichten Sinn“ liegt. Dies impliziert die Bedeutung von Gelassenheit, Ausgeglichenheit und einer positiven Lebenseinstellung.

Die abschließende fünfte Strophe reflektiert Goethes eigene Sicht auf die Welt und das Verhalten der Menschen. Er beklagt die Torheit und den Irrsinn, die er in der Gesellschaft sieht. Menschen, die diese Torheit ständig kritisieren und gleichzeitig „selbst für einen Narren gelten“, leiden stärker als alle anderen. Diese Selbsterkenntnis offenbart Goethes tiefe Sensibilität und seine Fähigkeit zur Selbstkritik, wodurch das Gedicht eine persönliche Note erhält und als Reflexion seiner eigenen Lebenserfahrungen verstanden werden kann. Insgesamt ist das Gedicht eine Sammlung von Weisheiten, die Goethes umfassendes Wissen über die menschliche Natur und seine Fähigkeit zur tiefgründigen Reflexion widerspiegeln.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.