An meinem Geburtstage
(Dreißig Jahre später.)
Und so folgt das Jahr dem Jahre,
Und mit schwarzem Flor behängt
Steht gerüstet schon die Bahre,
Die im letzten mich empfängt.
Tiefer in des Lebens Blüte
Nagt sich täglich ein der Wurm,
Und die Glut, die in mir glühte,
Stirbt erlöschend hin im Sturm.
Hin mit jedem Tage schwindet
Etwas, das mir teuer war,
Und der Augen Stern erblindet,
Und zu Grau erbleicht mein Haar.
Mag das Eis der Bäche tauen
Und ihr Nest an meinem Dach
Wiederum die Schwalbe bauen,
Nie mein Herz mehr singt sie wach.
Durch des Frühlings Glanz und Prangen
Fühl′ ich nur den Grabduft wehn
Derer, die dahingegangen,
Und gleich ihnen muß ich gehn!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An meinem Geburtstage“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine melancholische Reflexion über das Älterwerden und die Vergänglichkeit des Lebens. Es wird aus der Perspektive eines Mannes geschrieben, der dreißig Jahre nach seiner Geburt Bilanz zieht und dabei die zunehmende Nähe zum Tod und den Verlust von Jugend und Lebensfreude beklagt. Der Titel selbst, der einen Geburtstag als Anlass nimmt, um diese düsteren Gedanken zu formulieren, erzeugt einen Kontrast zwischen dem, was normalerweise ein freudiger Anlass ist, und der Traurigkeit des Sprechers.
Die ersten Strophen beschreiben den unaufhaltsamen Lauf der Zeit und die daraus resultierenden körperlichen und emotionalen Veränderungen. Die Metapher der „Bahre“, die bereits „gerüstet“ steht, deutet auf die unmittelbare Konfrontation mit dem Tod hin. Der „Wurm“, der sich in die „Blüte“ des Lebens nagt, steht für den schleichenden Verfall. Die „Glut“, die einst in ihm „glühte“, erlischt allmählich wie ein Feuer im Sturm. Der Verlust von „teuren“ Dingen und die „Erblindung“ des „Augen Sterns“ sowie das Ergrauen des Haares sind konkrete Zeichen des Alterungsprozesses, die die körperlichen Veränderungen und den Verlust von Lebendigkeit betonen.
In den folgenden Strophen wird die Natur als Spiegelbild des eigenen Befindens eingesetzt. Der Kreislauf der Natur, mit dem Tauen des Eises und dem Bau von Schwalbennestern, steht im Kontrast zur Stagnation im Herzen des Sprechers. Während die Natur in immer neuer Frische erwacht, vermag sein Herz nicht mehr „wach zu singen“. Der „Frühlings Glanz und Prangen“ wird von ihm lediglich als „Grabduft“ wahrgenommen. Die Lebenden, die Erinnerung an die Toten, und die eigene Endlichkeit verschmelzen hier zu einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit und des nahenden Todes.
Schacks Gedicht zeichnet sich durch seine einfache, aber eindringliche Sprache aus. Die Metaphern und Bilder sind klar und nachvollziehbar, wodurch die emotionale Wirkung des Gedichts verstärkt wird. Die Wiederholung des „Und“ am Anfang von Versen verstärkt den Eindruck der Unausweichlichkeit und des kontinuierlichen Verlustes. Das Gedicht ist ein bewegendes Zeugnis der menschlichen Erfahrung von Vergänglichkeit, Verlust und der Akzeptanz des Todes, der als natürlicher Teil des Lebenszyklus gesehen wird.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.