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An Hyperbolus

Von

Du sagst uns güldne Berge zu,
Und leistest nichts, und darfst dies Geben nennen:
So wirst du heute mir vergönnen,
Freigebiger zu sein, als du.
Ich schenke dir, so mancher Wahrheit wegen;
Ich schenke dir, Hyperbolus:
In deinen Bücherschatz den ganzen Livius;
In deinen Waffensaal des großen Rolands Degen;
Zehn Stück, ins Cabinet, von Rubens freier Hand;
Ein ächtes Phönixnest, die Beute ferner Reisen:
Für dein Gemahl Pitts großen Diamant;
Für deinen ersten Sohn den Wasserstein der Weisen;
Und alles, was du sonst, dich zu bereichern, liebst:
Herr, das empfange, wie du gibst.

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Gedicht: An Hyperbolus von Friedrich von Hagedorn

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Hyperbolus“ von Friedrich von Hagedorn ist eine satirische Auseinandersetzung mit der übertriebenen Großzügigkeit und dem tatsächlichen Geiz des Adressaten, Hyperbolus. Der Dichter wählt die Form eines sarkastischen Geschenks, um die Heuchelei und den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu entlarven. Bereits in der ersten Strophe wird der Ton gesetzt: Der Vorwurf, große Versprechungen zu machen, ohne etwas zu leisten, wird durch die ironische Formulierung „darfst dies Geben nennen“ deutlich.

Hagedorn konfrontiert Hyperbolus mit einer Liste von Geschenken, die er ihm vermeintlich zukommen lässt. Die Aufzählung umfasst bedeutende kulturelle und historische Artefakte wie den „ganzen Livius“ (als Inbegriff historischer Bildung), den Degen des Roland (als Symbol ritterlicher Tugend) und Werke von Rubens (als Ausdruck künstlerischer Wertschätzung). Diese großzügige Geste wird jedoch durch das ironische Spiel mit der Übertreibung und dem offensichtlichen Unwert der „Geschenke“ konterkariert. So sind „zehn Stück“ Rubens freier Hand, ein „Phönixnest“, Diamanten und der „Wasserstein der Weisen“ allesamt unglaubwürdige und satirisch überhöhte Gaben.

Die Pointe des Gedichts liegt im Schlussvers: „Herr, das empfange, wie du gibst.“ Hier wird das Prinzip der Gegenseitigkeit auf den Kopf gestellt. Hagedorn bietet Hyperbolus Geschenke an, die dessen eigene Großzügigkeit spiegeln sollen – und gleichzeitig deren Mangel aufdecken. Der Dichter demaskiert die leeren Versprechungen und die tatsächliche Geizhaltung des Hyperbolus, indem er ihn mit einer satirischen Version seines eigenen Verhaltens konfrontiert. Dies verdeutlicht die zentrale Botschaft des Gedichts: Die Kritik an Hyperbolus richtet sich nicht nur gegen seine falsche Großzügigkeit, sondern auch gegen die Heuchelei und das Fehlen von tatsächlichem Engagement.

Hagedorns Stil ist dabei von leichter Eleganz und einem ironischen Unterton geprägt. Die Verwendung von Versen und Reimen, die für die Zeit typisch sind, dient nicht nur der poetischen Form, sondern unterstreicht auch die satirische Wirkung. Das Gedicht ist ein feines Beispiel für die Aufklärung, die durch die Verwendung von Ironie und Spott versucht, das Verhalten der Adligen zu kritisieren und einen Kontrast zwischen Schein und Sein aufzudecken.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

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