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An einen Frühverstorbenen

Von

O, der schwarze Engel, der leise aus dem Innern des Baums trat,
Da wir sanfte Gespielen am Abend waren,
Am Rand des blänlichen Brunnens.
Ruhig war unser Schritt, die runden Augen in der braunen Kühle des Herbstes,
O, die purpurne Süße der Sterne.

Jener aber ging die steinernen Stufen des Mönchsbergs hinab,
Ein blaues Lächeln im Antlitz und seltsam verpuppt
In seine stillere Kindheit und starb;
Und im Garten blieb das silberne Antlitz des Freundes zurück,
Lauschend im Laub oder im alten Gestein.

Seele sang den Tod, die grüne Verwesung des Fleisches
Und es war das Rauschen des Walds,
Die inbrünstige Klage des Wildes.
Immer klangen von dämmernden Turmen die blauen Glocken des Abends.

Stunde kam, da jener die Schatten in purpurner Sonne sah,
Die Schatten der Fänlnis in kahlem Geäst;
Abend, da an dämmernder Mauer die Amsel sang,
Der Geist des Frühverstorbenen stille im Zimmer erschien.

O, das Blut, das aus der Kehle des Tönenden rinnt,
Blaue Blume; o die feurige Träne
Geweint in die Nacht.

Goldene Wolke und Zeit. In einsamer Kammer
Lädst du öfter den Toten zu Gast,
Wandelst in trautem Gespräch unter Ulmen den grünen Fluß hinab.

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Gedicht: An einen Frühverstorbenen von Georg Trakl

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An einen Frühverstorbenen“ von Georg Trakl ist eine elegische Auseinandersetzung mit Tod und Verlust. Es zeichnet das Porträt eines früh verstorbenen Menschen und reflektiert die Trauer und das Nachwirken des Verstorbenen in der Erinnerung des Sprechers. Die Sprache ist bildreich und von einer tiefen Melancholie geprägt, typisch für Trakls expressionistische Dichtung.

Die ersten beiden Strophen etablieren eine idyllische, aber zugleich von der Ahnung des Todes überschattete Szene. Die „sanften Gespielen“ am „blänlichen Brunnen“ und die „purpurne Süße der Sterne“ wecken eine Atmosphäre von Harmonie und Unbeschwertheit. Doch bereits hier ist der Tod präsent, wenn der „schwarze Engel“ aus dem Baum tritt und der Frühverstorbene die steinernen Stufen hinabsteigt und „starb“. Die Kindheit wird als ein Zustand stillerer Entrückung dargestellt, die in den Tod mündet. Das „silberne Antlitz des Freundes“, das im Garten zurückbleibt, symbolisiert das Andenken und die bleibende Präsenz des Toten in der Welt der Lebenden.

Die mittlere Strophe vertieft die Thematik des Todes und der Verwesung. Die „grüne Verwesung des Fleisches“ steht für den Zerfall des Körpers, während die „inbrünstige Klage des Wildes“ und das „Rauschen des Walds“ die Trauer der Natur widerspiegeln. Die „blauen Glocken des Abends“ aus den Türmen verstärken die Atmosphäre der Dämmerung und des Übergangs. Hier wird die Einheit von Leben, Tod und Natur in einem eindringlichen Bild ausgedrückt, das die Erfahrung des Verlustes tiefgreifend emotionalisiert.

Die vierte Strophe schildert die Erfahrung der Trauer, das Auftauchen des Geistes des Verstorbenen in der Realität. Der Verstorbene nimmt die Schatten der Fäulnis in dem kahlen Geäst war. Die „Amsel“ singt, während der Geist des Toten im Zimmer erscheint, was die allgegenwärtige Präsenz des Todes und die Unvermeidlichkeit des Schicksals andeutet.

Die abschließenden Zeilen sind von großer emotionaler Intensität. Das „Blut, das aus der Kehle des Tönenden rinnt“ und die „feurige Träne“ sind Ausdruck von Schmerz und Leid. Die „goldene Wolke“ und die „Zeit“ werden als Zeugen der Trauer und des Andenkens beschworen. Das Gedicht endet mit der Hoffnung auf ein Wiedersehen, mit der Einladung des Toten als Gast in der „einsamen Kammer“ und dem gemeinsamen Wandeln im Gespräch durch die Natur. Trakls Gedicht ist somit eine tiefgründige Meditation über den Verlust, die Erinnerung und die Suche nach Trost in der Unendlichkeit.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.