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An die Schwalbe

Von

Schwatzhafteste der Schwalben, sprich,
Was tu ich dir? wie straf ich dich?
Soll ich dich um die Schwingen
Mit meiner Schere bringen?
Soll ich, zu deiner Pein,
Ein andrer Tereus sein?
Und willst du gern der Progne gleichen?
Mußt du, zu frühe Schwätzerin,
Mußt du von meiner Schäferin
Mir meinen schönen Traum verscheuchen?

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Gedicht: An die Schwalbe von Gotthold Ephraim Lessing

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An die Schwalbe“ von Gotthold Ephraim Lessing ist eine humorvolle und leichtfüßige Auseinandersetzung mit der nervigen Eigenschaft der Schwalbe, unaufhörlich zu zwitschern, und dem daraus resultierenden Verlust des poetischen Traumes. Der Autor wendet sich direkt an die Schwalbe und stellt ihr rhetorische Fragen, die seinen Ärger und seine Verzweiflung über ihr ständiges Gezwitscher zum Ausdruck bringen. Die Verwendung von Fragen verleiht dem Gedicht eine lebendige und interaktive Qualität, die den Leser in die Situation mit einbezieht.

Der Dichter fragt die Schwalbe nach ihren Beweggründen und droht ihr auf spielerische Weise mit Gewalt, was durch Anspielungen auf antike Mythen wie die Geschichte von Tereus und Progne unterstrichen wird. Die rhetorische Frage nach dem Abschneiden der Flügel und die Anspielung auf die grausame Geschichte von Tereus sind humorvoll übertrieben, aber sie zeigen auch die tiefe Irritation des Dichters. Er fühlt sich durch das Geschnatter der Schwalbe gestört, besonders da sie ihm seinen schönen Traum raubt, und deutet an, dass die Schwalbe ihn in einen ähnlichen Zustand versetzt, in dem er Rache üben möchte.

Die Metapher der „Schwätzerin“ und die Beschreibung der Schwalbe als jemanden, der seinen schönen Traum „verscheucht“, verdeutlichen die zentrale Botschaft des Gedichts: Die Stille ist notwendig für das Eintauchen in die Welt der Fantasie und der Träume. Das unaufhörliche Gezwitscher der Schwalbe stört diese innere Ruhe und zerstört die poetische Atmosphäre. Lessing nutzt das Bild der Schwalbe als Symbol für jegliche Art von störendem Lärm und Ablenkung, die den kreativen Prozess behindern können.

Das Gedicht zeichnet sich durch seine einfache Sprache, seine klaren Reime und seinen humorvollen Ton aus. Lessing gelingt es, eine alltägliche Situation – die Störung durch ein Vogelzwitschern – in einen amüsanten und zugleich nachdenklichen Text zu verwandeln. Der Kontrast zwischen der harmlosen Natur der Schwalbe und der übertriebenen Reaktion des Dichters verstärkt den humorvollen Effekt und lässt den Leser über die Bedeutung von Ruhe und Stille für das menschliche Befinden und die kreative Inspiration nachdenken.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.