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An die Kunstrichter

Von

Schweigt, unberauschte, finstre Richter!
Ich trinke Wein, und bin ein Dichter.
Tut mir es nach, und trinket Wein,
So seht ihr meine Schönheit ein.
Sonst wahrlich, unberauschte Richter,
Sonst wahrlich seht ihr sie nicht ein!

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Gedicht: An die Kunstrichter von Gotthold Ephraim Lessing

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An die Kunstrichter“ von Gotthold Ephraim Lessing ist eine pointierte Kritik an den Kunstrichtern seiner Zeit und eine humorvolle Selbstverteidigung des Dichters. Es ist kurz und prägnant gehalten, was die Botschaft umso wirkungsvoller macht. Lessing wendet sich direkt an die angesprochenen Personen und nutzt eine einfache, klare Sprache, die durch die Reime und den frechen Tonfall einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Die Kernbotschaft des Gedichts ist die Überzeugung, dass die Bewertung von Kunst durch nüchterne, unbefangene Beobachter nicht gelingen kann. Lessing deutet an, dass die Schönheit und die Tiefe seiner Dichtung nur dann wahrhaft erfasst werden kann, wenn die Betrachter sich in einen ähnlichen Zustand versetzen – also Wein trinken und sich dem Genuss hingeben. Der Alkohol wird hier zum Symbol für Kreativität, Inspiration und die Fähigkeit, über den Tellerrand hinauszublichen. Ohne diese „Berauschung“ bleibt den Richtern der Zugang zur eigentlichen Qualität der Kunst verschlossen.

Die Struktur des Gedichts ist ebenso einfach wie wirkungsvoll. Die ersten beiden Verse etablieren die Ausgangssituation: Der Dichter trinkt Wein und ist stolz darauf. Der dritte und vierte Vers enthalten den Aufruf an die Kritiker, es ihm gleichzutun, um seine „Schönheit“ zu erkennen. Die abschließenden Verse wiederholen die ursprüngliche Anschuldigung, betonen sie aber mit Nachdruck und Drohung. Diese Repetition unterstreicht die Überzeugung des Dichters und verleiht dem Gedicht einen ironischen Unterton, der die Kunstrichter auf die Schippe nimmt.

Der Wein ist in diesem Kontext nicht nur ein Mittel zur Berauschung, sondern auch ein Symbol für die Freiheit des Künstlers und die Ablehnung von prüden Konventionen. Lessing verteidigt die Vorstellung, dass Kunst nicht durch kalte Analyse, sondern durch die Vereinigung von Geist und Genuss verstanden werden kann. Das Gedicht ist somit ein Plädoyer für eine sinnliche und offene Auseinandersetzung mit Kunst, die sich von dogmatischen und engstirnigen Bewertungsmethoden distanziert.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.