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An die Königin Luise von Preussen (1. Fassung)

Von

Die Glocke ruft, hoch, von geweihter Stelle,
Zum Dom das Volk, das durch die Straßen irrt.
Das Tor steht offen schon, und Kerzenhelle
Wogt von dem Leuchter, der den Altar ziert.
Bestreut, nach Festesart, ist Trepp und Schwelle,
Die in das Innere der Kirche führt,
Und, unter Tor′ und Pfeilern, im Gedränge,
Harrt, lautlos, die erwartungsvolle Menge.

Und die das Unglück, mit der Grazie Tritten,
Auf jungen Schultern, herrlich jüngsthin trug,
Als einzge Siegerin vom Platz geschritten,
Da jüngst des Himmels Zorn uns niederschlug,
Sie, die, aus giftiger Gewürme Mitten,
Zum Äther aufstieg, mit des Adlers Flug:
Sie tritt herein, in Demut und in Milde,
Und sinkt auf Knieen hin, am Altarbilde.

O einen Cherub, aus den Sternen, nieder,
Die Palmenkron in der erhobnen Hand,
Der sie umschweb, auf glänzendem Gefieder,
Gelagert still, auf goldner Wolken Rand,
Der, unterm Flötenton seraphscher Lieder,
Den Kranz erhöh, von Gott ihr zuerkannt,
Und, vor des Volkes frommerstauntem Blicke,
Auf ihre heilge Schwesterstirne drücke.

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Gedicht: An die Königin Luise von Preussen (1. Fassung) von Heinrich von Kleist

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An die Königin Luise von Preussen (1. Fassung)“ von Heinrich von Kleist ist eine Ode an die preußische Königin Luise und eine Huldigung an ihre Tugenden, insbesondere angesichts des nationalen Unglücks. Das Gedicht beginnt mit einer Szene der Erwartung und Vorbereitung auf eine religiöse Zeremonie, wobei die Glocke die Gläubigen in den Dom ruft. Die Beschreibung des Raumes, mit seinen Kerzen, geschmückten Treppen und der wartenden Menge, schafft eine Atmosphäre der Ehrfurcht und des feierlichen Gedenkens. Die Erwartung gipfelt im Erscheinen der Königin.

Der zweite Teil des Gedichts konzentriert sich auf Luises Erscheinen und ihre heldenhafte Haltung. Kleist stellt sie als eine Figur dar, die das Unglück mit „Grazie“ trug. Dies impliziert, dass Luise trotz der widrigen Umstände – wahrscheinlich angespielt auf die Niederlage Preußens durch Napoleon – Würde und Anmut bewahrte. Er betont ihre Stärke und Reinheit, indem er sie mit einem Adler vergleicht, der aus „giftiger Gewürme Mitten“ zum Äther aufsteigt. Dieses Bild unterstreicht ihre Fähigkeit, Widrigkeiten zu überwinden und zu neuen Höhen aufzusteigen. Ihre Demut und Milde, die sie beim Eintritt in die Kirche zeigt, werden besonders hervorgehoben.

Der letzte Teil des Gedichts nimmt eine metaphorische Wendung und wünscht sich die Ankunft eines Cherubs, eines Engels, der die Königin mit einem himmlischen Kranz krönt. Dieser Wunsch dient dazu, Luise zu verherrlichen und sie in eine fast göttliche Figur zu erheben. Der Engel, der mit „glänzendem Gefieder“ und in „seraphscher Lieder“ Umgebung dargestellt wird, repräsentiert die himmlische Anerkennung ihrer Verdienste und ihre Verbindung zum Göttlichen. Der „frommerstaunte Blick“ des Volkes unterstreicht die Ehrfurcht und Bewunderung, die Luise entgegengebracht wird.

Insgesamt ist das Gedicht eine Huldigung an Luise, die als Inbegriff von Tugend, Stärke und Anmut dargestellt wird, insbesondere in Zeiten der Not. Kleist nutzt bildhafte Sprache und religiöse Bilder, um die Königin zu verherrlichen und sie als Hoffnungsträgerin für das preußische Volk darzustellen. Die religiöse Atmosphäre und die Engelsvorstellung verstärken die Vorstellung, dass Luise durch ihre Reinheit und moralische Stärke göttliche Unterstützung verdient. Es ist eine Ode der Hoffnung und des Trostes in einer Zeit politischer und militärischer Niederlage.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.