An den Wind
Ich wandre fort ins ferne Land;
Noch einmal blickt′ ich um , bewegt,
Und sah, wie sie den Mund geregt
Und wie gewinket ihre Hand.
Wohl rief sie noch ein freundlich Wort
Mir nach auf meinem trüben Gang,
Doch hört ich nicht den liebsten Klang,
Weil ihn der Wind getragen fort.
Daß ich mein Glück verlassen muß,
du rauher; kalter Windeshauch,
Ist′s nicht genug, daß du mir auch
Entreißest ihren letzten Gruß?
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An den Wind“ von Nikolaus Lenau handelt von Trennung, Verlust und der Ohnmacht angesichts der Naturgewalten. Der lyrische Sprecher verlässt seine Heimat und blickt wehmütig zurück auf die geliebte Person, die ihm nachwinkt und ihm vielleicht sogar ein Abschiedswort zuruft. Doch der Wind, als Verkörperung der unbarmherzigen Natur, raubt ihm dieses letzte Zeichen der Zuneigung und des Trostes.
Die erste Strophe beschreibt die Szene der Trennung: Der Sprecher wendet sich noch einmal um, sieht die Gesten der Abschiednehmenden und erahnt deren Worte. Die zweite Strophe konkretisiert diese Ahnung und verwandelt sie in eine bittere Erfahrung. Das liebste Wort, der letzte Gruß, wird vom Wind davongetragen und ist für den Sprecher unerreichbar. Der Wind wird hier zu einer Metapher für die Unfähigkeit, das geliebte Glück zu bewahren, und für die Unvermeidlichkeit des Verlustes.
In der dritten Strophe richtet sich der Sprecher direkt an den Wind und klagt über dessen Grausamkeit. Nicht nur das Glück muss er verlassen, sondern auch der letzte Gruß, die letzte Erinnerung an die Geliebte, wird ihm genommen. Die Anrede des Windes als „rauher, kalter Windeshauch“ unterstreicht dessen Unbarmherzigkeit und die emotionale Kälte, die der Sprecher empfindet. Die rhetorische Frage am Ende verdeutlicht die Verzweiflung und das Gefühl der Ungerechtigkeit.
Das Gedicht ist von Melancholie und tiefer Trauer geprägt. Lenau nutzt einfache Sprache und eine klare Struktur, um die Emotionen des lyrischen Ichs eindrücklich darzustellen. Der Wind als Personifikation der Natur wird zum Symbol für die Widrigkeiten des Lebens und die Unaufhaltsamkeit des Schicksals. Das Gedicht reflektiert die menschliche Erfahrung von Abschied, Verlust und der Sehnsucht nach dem, was man nicht festhalten kann.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.